1564 – 1616 England
In Übersetzungen von
Karl Kraus
Ein schönes Wesen wünscht man
fortgesetzt,
daß nie der Schönheit Rose ganz
vergehe,
und welkt sie durch die Zeit,
daß unverletzt
im schönen Sproß das Schöne
auferstehe.
Du aber, nur dem eignen Strahl
verbunden,
du, nur genährt, verzehrt von
deinem Glanze,
du hast, dich neidend, deinen
Feind gefunden,
der dir im Vollbesitz mißgönnt
das Ganze.
Du, der die Welt beglückt mit
jedem Reiz,
des Frühlings Herold, der mit
vollen Händen
versagt im Spenden, du gewährst
dem Geiz,
dich endlich in dir selber zu verschwenden.
Gewähre dich der Welt, der
zugehört
die Schönheit, die das Grab der
Zeit verzehrt.
II
Dir wird, wenn in die Jahre du
gekommen
und Falten furchend durch dein
Antlitz ziehn,
Erinnrung jener Schönheit wenig
frommen,
die schneller als die Zeit dir
ging dahin.
Und wenn dich dann wer fragt,
wohin sie kam,
und wo sie, da sie nicht mehr
sei, gewesen,
dann frage deinen Stolz, ob
deine Scham
sie ließe aus erloschnen Augen
lesen.
Doch wahrlich andern Ruhm
trügst du davon,
könntst du auf die bewahrte
Schönheit zeigen
und sprechen: Seht, in meinem
jungen Sohn
ist heut vorhanden, was mir
einst zu eigen!
Durch Alter endet nicht der
Lebensmut:
die Jugend, die du schufst,
erwärmt dein Blut.
III
Im Spiegel sagt es dir dein
Angesicht,
und es verlangt von dir, es neu
zu fassen;
betrogen wär’ die Welt, dein
Bild zerbricht,
hättst Einer du die
Mutterschaft erlassen.
Wo ist sie, die sich dir nicht
leicht ergibt,
für Ehrentat nicht hielte, zu
gebären
für dich? Wo der, der so sich
selber liebt,
sich neidisch seinen Nachwuchs
zu verwehren?
Dir, deiner Mutter Bild, worin
sie schaut
den eignen Frühling, dir, auch
dir gelingt,
wenn’s herbstlich wird und
deine Landschaft graut,
dich so zu schaun, als wärst du
selbst verjüngt.
Bist erbenlos zu sterben du
gewillt,
leb einsam und es stirbt mit
dir dein Bild.
IV
O unfruchtbare Fülle, wem
gedeihen
die Güter, die Natur dir hat
beschert?
Sie schenkt sie nicht, sie will
sie nur verleihen;
nur den, der gibt, hält sie der
Gabe wert.
Was tust du, schöner Geizhals,
nach den Jahren
der Selbstvergeudung, die du
übst mit Lust;
als Wuchrer deiner selbst hast
du verfahren,
und doch um deinen Reichtum
nicht gewußt!
Ob mehr Betrogner, mehr
Betrüger du,
gewohnt, nur Umgang mit dir
selbst zu pflegen,
wirst du, bringt die Natur dich
einst zur Ruh,
imstande sein, die Rechnung ihr
zu legen?
Zu viel an Schönheit muß mit
dir erkalten;
kein Erbe lebt, dem du sie
vorbehalten.
V
Das Werk der Zeit, das unsern
Sinn entzückt,
den Auen Wonne, dem Verstand
ein Wunder,
tyrannisch wird es von ihr
selbst entrückt,
zerstückt, zerpflückt und
abgetan zum Plunder.
Nicht ruht die Zeit und treibt
das Sommerglück
in Winterelend, um es zu
verderben.
Natur erstarrt in Frost, und
Stück um Stück
muß unter Eis und Schnee die
Schönheit sterben.
Und bliebe nicht des Sommers
süßer Geist
im Glase als ein schmerzlich
blasses Wähnen,
dann lebte nichts, was
Schönheit uns beweist,
und kein Besinnen bliebe und
kein Sehnen.
So aber wirkt, wenn Winter noch
so wüte,
der Sommer fort in seines
Wesens Blüte.
VI
Drum, eh der Winter deinen
Sommer kränkt,
sollst seinen Duft in ein Gefäß
du fassen.
Von dir ein Abglanz sei von dir
geschenkt
der Welt, bevor der Glanz ihr
muß erblassen.
Vermehrung ist nicht Wucher,
wenn gewillt
zum Dank man schuldet. Daß dein
Gut du mehrst,
gewährt von deinem Wesen uns
ein Bild.
Und zehnmal schöner, wenn du
zehn gewährst.
Und zehnmal größer wär’ dein
eignes Glück,
könntst zehnfach sehn du jedes
von den zehn.
Dann blickst getrost du auf
dich selbst zurück,
und trotzt dem Tod siehst du
dich fortbestehn.
Weit besseren Entschluß soll
Schönheit fassen,
als nur den Würmern sich zu
hinterlassen.
VII
Sieh, wenn die Sonne gnädig
aufersteht
zum großen Gang auf ihrer
Himmelsbahn,
wie bannt den Blick die goldne
Majestät,
der alle Menschensinne
untertan!
Zum Mittag dringt die kühne
Kraft empor,
und staunend folgt, bis sie ihn
übermannt,
der Blick, dem sich die
Ehrfurcht nicht verlor,
erhabnem Sieg und Aufstieg
unverwandt.
Doch weicht der Sieger, müde,
immer müder,
will’s Abend werden und zur
Neige gehn,
dann schlägt die Menschheit
ihre Augen nieder,
die sich vor kurzem noch nicht
satt gesehn.
So sinkt auch deine Sonne ohne
Lohn,
wenn dich die Welt nicht
wiedersieht im Sohn.
VIII
Der selbst Musik hat, dich
verstimmt Musik?
Dein süßes wesen weigert sich
der Süßen?
Und bittres Leid genießt dafür
das Glück,
als wär’s Musik, ins Herz die
einzufließen?
Wird dein Gehör gestört von
Harmonien,
so ist’s, weil’s diese wie ein Mißton
störte,
daß du, dich dem Konzerte zu
entziehn,
der Einklang bliebst, der
Einklang nicht begehrte.
Hör ihn im Spiel verbliebner
Saiten dort,
bereit, daß holder Tonbund sie
vermähle,
wie es sich mehrt und
schwellend zum Akkord
Entzücken aus der Seele dringt
zur Seele.
Mit allen Stimmen schallt es
dir im Chor:
„Steht einer einsam, stellt er
keiner vor!“
IX
Bangst du vielleicht vor einer
Witwe Tränen,
daß du versagst dir der
Verbindung Glück?
Ach, stirbst du einsam, bleibt,
dich zu ersehnen,
die ganze Welt als Gattin dir
zurück.
Die Welt, verwitwet, wird
darüber klagen,
daß kein Verwaister dich mit
ihr beweint,
da jeder Witwe doch in dunklen
Tagen
verblichnes Bild im Ebenbild
erscheint.
Was immer sonst der Leichtsinn
auch verschwendet,
verläßt den Platz nur und
verbleibt der Welt,
derweil ihr solch ein Gut, vom
Geiz entwendet,
der Schatz der Schönheit, endet
und zerfällt.
Wer so mit sich es bis zum
Selbstmord triebe,
des Herz ist frei von jeder
Nächstenliebe.
X
Gesteh die Schmach: zu lieben nicht
imstande
bist du, der lieblos mit sich
selbst verfährt.
Du schlossest manches Herz in
deine Bande,
doch dein ist eins, das keinem
zugehört.
Mit dir verfeindet, bist von
deinem Haß
getrieben du, dich selber zu
vernichten,
den Bau der Schönheit ohne Unterlaß
zerstörend, anstatt neu ihn zu
errichten.
Tu anders, anders dann will ich
es meinen.
Soll Haß denn schöner als die
Liebe wohnen?
Do solltest minder hold nicht
sein als scheinen
und gütig dir mit deiner Gabe
lohnen.
Gib mir zu Liebe dir ein andres
Ich,
daß Schönheit lebt für dieses
und für dich!
XI
So schnell du welken wirst, in
jungem Sproß
wirst ganz so schnell du dich
erblühen sehn,
und was an Kraft dir mit der
Zeit verfloß,
siehst alternd neu du wieder
auferstehn.
Das ist’s, was Schönheit, Weisheit,
Wuchs bedeutet,
sonnst kann nur Siechtum,
Torheit, Trübsal gelten;
nach deinem Sinn wär’ Schluß
der Zeit geläutet
und angesagt das Ende diesen
Welten.
Mag, was da von Natur der Form
entbehrt
und was zur Blüte nicht
bestimmt war, sterben.
Dir ward verliehn zu ungemeßnem
Wert
die Gabe, ihn verlierend zu
erwerben.
Als Siegel der Natur soll dir
gebühren,
der Schönheit Spur unsterblich
fortzuführen.
XII
Zähl ich die Zeit am bangen
Schlag der Glocke,
seh ich, wie Sonne sinkt in
dunkle Nacht,
seh ich, daß weiß sich färbt
die dunkle Locke
und kurz nur währt des
Veilchens Frühlingspracht –
seh ich den Baum, dem jene
Blätter starben,
die Herden vor dem Sonnenstrahl
bewahrt,
und was einst grün war, nun in
welken Farben
dahingeführt auf Sommers
letzter Fahrt:
dann frag ich, deiner Schönheit
zugewendet,
wie sie vor der Verwüstung will
bestehn
und ob sie nicht, die selber
sich verschwendet,
so schnell, wie Neues blüht,
dahin wird gehn.
Nichts wahrt den Wert vor
harter Zeit Verderben,
als ihr zum Trotz ihn wahren in
dem Erben.
XIII
O daß du dir gehörtest! Doch
gehörst
du nur so lang’ dir, als du
hier wirst weilen.
Drum nütz die kurzen Tage, die
du währst,
dein Abbild einem andern
mitzuteilen.
Dann würde, was an Schönheit
dir zu eigen,
niemals verbraucht und fiele
nie zur Beute
dem Tode, um dich selbst der
Welt zu zeigen,
die dich im Sproß erkennen
wird, wie heute.
Wer ließe zu, daß solch ein
Haus verfällt,
das unschwer durch Voraussicht
wär’ zu hüten
vor den Gewalten jener
Winterwelt,
vor Schnee und Sturm und Todes
kaltem Wüten?
Du hattest einen Vater. Seiner
wert,
sei selber du von einem Sohn
geehrt!
XIV
Nicht den Gestirnen danke ich
mein Wissen,
wenngleich imstande, Künftiges
zu deuten.
Doch künd ich nicht von jenen Finsternissen,
wie Teurung oder Pest in
Kriegeszeiten.
Nicht wahrzusagen fähig, ob ein
Tag
mit Regen oder Stürmen uns
bedroht,
nicht aus der Schrift des
Himmels ich vermag
der Fürsten Los zu schaun in
Glück und Not.
Jedoch in deinen Augen kann
ich’s lesen,
und diese Sterne haben mich’s
gelehrt:
daß schön sein wird, was schön
an dir gewesen,
wenn du dir einen Erben hast
gewährt.
So tu es, denn sonst muß ich
prophezein:
Mit dir wird Schönheit einst
gestorben sein!
XV
Bedenke ich, daß nur für
Augenblicke
vollkommnem Wert ein Dasein ist
verliehn,
der Szenenwechsel irdischer
Geschicke
sich durch der Sterne Walten
muß vollziehn,
daß gleich dem Baum der mensch
gedeiht im All,
von gleicher Luft erhoben und
gebrochen,
und allzubald, von Fülle zu
Verfall,
dem Todesdrang der Zeit doch
wird entsprochen:
dann ist es so, daß in des
Wandels Bild
ich deine Jugendherrlichkeit
nicht misse,
dann sehe ich die harte Zeit
gewillt,
dein Licht zu stoßen in die
Finsternisse.
Im Kampfe mit der Zeit, dir
hingegeben,
geb ich, was sie dir nimmt: das
neue Leben.
XVI
Warum jedoch trittst du mit
stärkrer Kraft
nicht selbst dem Bluttyrannen
Zeit entgegen,
durch das, was bess’re
Sicherheit verschafft
als unfruchtbares Lied, und
bessern Segen?
Du schwelgst in deines
Frühlings Überschwange,
und sieh, es blüht manch
jungfräulicher Garten,
der sich eröffnen wollt’ in
keuschem Drange,
mit junger Blume Huld dir
aufzuwarten.
Lebendig bleibt das Leben nur
durch Leben;
das rechte Bild von ihm gibt
nicht die Zeit,
noch könnte meine Zeichnung
etwas geben
vom wahren Innern undvom
schönen Kleid.
Gibst du dich weg, so wirst du
dich erhalten:
das Bild, das bleibt, du mußt
es selbst gestalten.
XVII
Wer glaubt mir einstens, wenn
der Welt mein Sang
zuteil wird, ganz von deiner
Huld erfüllt?
Und doch gleicht er der Gruft
nur, kaum gelang
ihm halb nur die Erinnrung an
dein Bild.
Könnt’ ich die Schönheit deiner
Augen schildern,
entspräch’ mein Vers der Anmut
deiner Züge,
die Nachwelt, zweifelnd an den
Himmelsbildern
von einem Erdensohn, nähm’ sie
für Lüge.
Dies mein Gedicht, verwittert
durch die Zeit,
man würd’ es höhnen wie
Geschwätz von Greisen,
und deinen wahren Wert wär’ man
bereit
als Schwall von alten Liedern
zu beweisen.
Doch wenn dein Bild im Sohne
sich erhält,
durch ihn wie durch mein Lied
bleibst du der Welt.
XVIII
Soll ich denn einen Sommertag
dich nennen,
dich, der an Herrlichkeit ihn
überglänzt?
Dem Mai will Sturm die
Blütenpracht nicht gönnen,
und Sommers Herrschaft ist so
eng begrenzt.
Oft leuchten seines Blickes
Feuerfarben,
doch bald auch hört das goldne
Glänzen auf,
bis seine allerletzten Spuren
starben
in Wechsel und natürlichem
Verlauf.
Dir aber soll der Sommer
niemals scheiden,
die Zeit sein fern, daß
Schönheit dir verdirbt.
Des Todes gier’ger Blick weiß
dich zu meiden:
mein Wort verhütet, daß dein
Wesen stirbt.
Solange Ohren höhren, Augen
sehn,
besteht mein Lied, wirst du im
Lied bestehn!
XIX
Mach stumpf du, Zeit, des Löwen
Klau! Treib an
zum Fraß der eignen Brut das
Element!
Aus Tigers Rachen brich den
wüt’gen Zahn!
Zünd an den Phönix, daß im Blut
er brennt!
Tu was du willst, du Zeit mit
flücht’gem Fuß,
Heil oder Unheil, Werden und
Vergehn;
sei Fluch, was du der Welt
gibst, oder Gruß –
nur dieses Schlimmste lasse
ungeschehn:
entstell durch Furchen nicht
das Angesicht
des Freundes mit dem Griffel
deiner Jahre,
daß Schönheit als ein
göttliches Gedicht
unsterblich sich der Nachwelt
offenbare.
Doch ob sie durch dein Wüten
auch verschied,
sie lebte ewig fort in meinem
Lied!
XX
Ein Fraungesicht hat dir Natur
geschenkt,
du Herr zugleich und Herrin
meiner Seele;
ein Frauenherz, das doch nicht
treulos denkt,
wie es dem Wechsel stets nur
sich vermähle;
ein lockend Aug und dennoch
nicht belügend,
verklärend jedes Ding, das es
bestrahlt,
und über beiden Wesens Reiz
verfügend,
ein Doppelbild, von der Natur
gemalt.
Als sie zum Weib dich schuf und
selbst entbrannte
für dich, ergänzte sie dich
gleich zum Mann:
was meiner Hoffnung den Besitz
entwandte
durch Überfluß, den ich nicht
brauchen kann.
So ausgestattet, Frauen zu
erlaben –
laß mir die Liebe, wenn die
Lust sie haben!
XXI
Mein Liebeslied klingt nicht
wie jener Schall,
der angeschminkter Schönheit
mag ertönen;
der aller Bilder Schmuck holt
aus dem All
und jedes Schöne borgt dem Schein
vom Schönen.
Es ist nicht Schwall, nicht
Fülle von Vergleichen
mit Sonn und Mond und was es
immer nur
in Flut und Festland gibt, mit
Himmelszeichen
und allen Wunderwerken der
Natur.
Echt ist mein Lieben, wahr sei
auch mein Lied:
drum glaub, daß keine
Erdenflamme brennt
mit schönrer Glut, obgleich
noch schöner glüht
der goldne Strahlenglanz am
Firmament.
Mag, wer zu prahlen liebt, mit
Liebe prahlen;
ich will nicht preisen, was
nicht zu bezahlen.
XXII
Der Spiegel, der mein Alter mir
beweist,
er lügt, solang’ er deine
Jugend spiegelt.
Die Zeit, die Furchen in dein
Antlitz reißt,
wär’ jene, die das Ende mir
besiegelt.
Denn alle Schönheit, die dein
Herz umwebt,
auch meins hat sie zur Hülle
sich erkoren,
das ganz in dir wie einst in
mir doch lebt:
ist’s möglich dann, daß ich vor
dir geboren?
Nimm, Liebster, drum dich für
dich selbst in acht,
und ich will’s nicht für mich,
für dich nur tun:
dein Herz behütend halt ich
treue Wacht,
wie eine Mutter macht das
Kindlein ruhn.
Dein Herz ist hin, wenn meins
nicht mehr am Leben:
du gabst mir deines nicht zum
Wiedergeben.
XXIII
Wie auf der Szene oft ein
Dilettant,
durch Schüchternheit gehemmt in
seinem Spiel;
wie der, der rast, vom Wüten
übermannt,
durch Übermaß geschwächt wird
vor dem Ziel:
ganz so verfehle ich, von Angst
beklommen,
zu tun, was Liebessitte sonst
begründet,
und alle Leidenschaft erscheint
verglommen,
weil sie zu heftig in mir
angezündet.
Drum soll mein Lied für meine
Liebe zeugen
und leise künden meinen lauten
Drang,
den schüchtern meine Lippe muß
verschweigen,
der mancher kühne Ausdruck doch
gelang.
O laß, was stumme Liebe
schrieb, gewähren:
sie wird dich lehren, mit dem
Aug zu hören.
XXIV
Mein Aug ist Maler, der mir an
die Wand
von meinem Herzen dein Gemälde
schafft.
In meines Körpers Rahmen
eingespannt,
bewährt es sich mit aller
Täuschungskraft.
Die Stelle, wo dein wahres Bild
zu finden,
wird durch die Kunst des Malers
dir erhellt;
du schaust es in des Herzens
Hintergründen,
auf die das Licht aus deinem
Auge fällt.
Sieh, wie das Aug dem Auge
Wonne bringt:
das meine hat gemalt, es ward
das deine
ein Fenster meiner Brust, durch
welches dringt
die Sonne, daß sie froh dein
Bild bescheine.
Nur eines kann die Kunst nicht:
für das Bild
hat sie bloß Form – das Herz
bleibt ihr verhüllt.
XXV
Mag, wen ein günstiges Geschick
erschuf,
an Titeln sich und äußrer Ehre
laben.
mir, der sich fern fühlt
solcherlei Beruf,
ward der Gewinn, ein andres
Glück zu haben.
Von Gunst besonnt, der Höfling
fett gedeiht
und tut sich auf wie eine
Dotterblume;
ein laun’scher Zufall endet
seine Zeit,
ein zorn’ger Blick begegnet
seinem Ruhme.
Der nie besiegte Sieger, der
zuletzt
doch einmal seinen Sieger hat
gefunden,
wird aus der Ruhmestafel
ausgeätzt,
und tausend Siege sind
dahingeschwunden.
Welch andres Glück: ich lieb
und bin geliebt,
ein Glück, an dem es keinen
Wandel gibt!
XXVI
Du, meines Herzens Herr, dem
ich zu Schuld
durch seine Gnade ganz
verpflichtet bleibe,
nicht Geist soll mir erringen
deine Huld,
wenn ich dir nun mein
Schuldbekenntnis schreibe.
So große Schuld doch, daß mein
Geist zu klein,
vor dir sie in die rechte Form
zu fassen.
Du läßt ihm, hoff ich,
Nachsicht angedeihn,
um nicht zu nackt erscheinen
sie zu lassen:
bis jener Stern, der mich durchs
Leben lenkt,
sich will zu meiner Armut
niederneigen
und meiner Blöße die Gewandung
schenkt,
die würdig deiner Achtung mich
wird zeigen.
Erst dann darf laut die Liebe
ich verkünden;
bis dahin soll dein Licht mich
nirgend finden.
XXVII
Wenn ich, erschöpft von Mühsal,
ruhen will,
die müden Augen fallen mir
nicht zu;
ach, dann ist’s erst in meinem
Kopf nicht still:
der Leib will Ruh, der Geist
gibt keine Ruh.
Denn dich sucht bald er in der
weiten Ferne,
in die es ihn mit frommem
Sehnen zieht.
Vergebens aber leuchten
Augensterne
durch jenes Dunkel, das der
Blinde sieht.
Doch vorzustellen, was uns
abgewandt,
dem innern Blick die Phantasie
vermag;
und also strahlst du als ein
Diamant,
und diese Nacht ist schöner als
ein Tag.
Bei Tag und Nacht sich deine
Macht mir weist:
dort hat mein Leib nicht Ruh,
hier nicht mein Geist.
Wie fänd’ ich jemals noch in
rohe Tage,
wenn dauernd mich der Ruhe
Wohltat flieht,
seit vor der Nacht nicht wich
des Tages Plage
und Tag und Nacht kein Dunkel
unterschied?
Sie, die einander niemals sonst
vertragen,
sie reichen, mich zu plagen,
sich die Hand:
der Tag durch Plage und die
Nacht durch Klagen,
daß meine Plage dich mir
abgewandt.
Zum Tage sag ich, dir dankt er
die Pracht,
du glänzest ihm, wenn Wolken
ihn verdunkeln;
und also schmeichle ich der
schwarzen Nacht:
daß du ihr strahlst, wenn keine
Sterne funkeln.
Doch mehrt der Tag mir täglich
meine Leiden,
an welchen nachts ich seh die
Nacht sich weiden.
XXIX
Wenn ich des Erdenglücks entbehrend
frage,
warum ich durch so hartes Los
verbannt,
und in Verzweiflung fluche,
weil die Klage
beim tauben Himmel nicht
Erhörung fand,
wünsch ich zu sein wie solche,
die da leben
in Hoffnung, vieler
Freundschaft, hochgeboren,
um mich der Kunst des einen
hinzugeben,
des andern Ziel – dem meinen
doch verloren.
Zur Selbstverachtung führt mich
fast solch Sinnen;
doch denk ich deiner, aller
Schatten flieht,
da will ein neuer Morgen mir
beginnen,
zu deiner Sonne steigt mein
Lerchenlied.
An dich zu denken, welch ein
Herzenslohn:
dies Glück ist mir nicht feil
für einen Thron!
XXX
Wenn mich verführt ein
schmerzlich süßes Denken
und macht mir die Vergangenheit
bewußt,
dann will Verlorenes sich
wieder schenken
und läßt mich neu erleben den
Verlust.
Dann will ein Aug, das lange
nicht geweint,
gewahren Freunde, die dahin
gegangen,
und manch Gesicht, das längst
verblich, erscheint,
und manch verklungner Ton weckt
ein Verlangen.
Dann leid ich Leiden, die ich
längst gelitten,
dann duld ich mit bewiesener Geduld.
Die Schmerzenssumme, die ich
längst bestritten,
bezahl ich neu, als wär’ sie
neue Schuld.
Doch bin von allem ich, was ich
erlitt,
wenn ich an dich, Gweliebter,
denke, quitt.
XXXI
Dein Herz faßt alle Herzen, die
ich wähnte
gestorben mir, sie ruhen in dem
deinen:
die Liebe selbst und was ich je
ersehnte
und Freundschaft, die ich
wollt’ als tot beweinen.
Wie hab in frommer Trauer
manche Träne
um all die toten Freunde ich
geweint.
Nun aber scheinen auferstanden
jene
durch dich, in dir vorhanden
und vereint.
Du bist das Grab, wo alle Liebe
lebt,
und alle Lieben sind ihm
eingeschrieben,
und all ihr Teil an mir mit dir
verwebt,
und alles ihre ist nur dir
verblieben.
Die Bilder alle, die ich einst
geliebt,
enthält dein Bild mir, das mich
ganz umgibt.
XXXII
Wenn einstens, da ich längst zu
Staub vergangen
und keine andre Spur von mir
geblieben,
die Blätter hier vor deinen
Blick gelangen,
vergilbtes Zeugnis für
lebend’ges Lieben:
laß für der Zeiten Fortschritt
sie nicht büßen,
bewahre sie um meiner Liebe
willen,
nicht ihrer Kunst: zu besserem
Genießen
mag spätern Künstlern sich die
Form erfüllen.
Sprich freundlich: „Wär’ der
Freund nicht schon gestorben
vor dieser hochgestimmten
Zeiten Gunst,
er hätte leicht den höchsten
Preis erworben,
groß wie die Liebe wäre seine
Kunst.
Doch da vor Größern in das Grab
er sank,
sei uhrer Kunst, sei seiner
Liebe Dank.“
XXXIII
Oft sah den Morgen ich aus
Finsternissen
sich glänzend über Berge
überheben,
das Grün der welt mit goldnem
Antlitz küssen
und seinen Strahl den bleichen
Strom beleben.
Doch dann, in niedrer Wolken
Schmach verloren,
ließ er verdunkeln himmlische
Gelände,
die Welt verleugnend, die zum
Glanz geboren;
unselig hinzusinken in das
Ende.
So sah ich einstmals meiner
Sonne Blick
beglückten Morgens meine Stirn
bestrahlen.
Doch ach! nur eine Stunde
schien das Glück,
mit grauen Wolken mußt’ ich es
bezahlen.
Wenn Himmels Sonne sinkt, soll
die der Welten
drum nimmer ihren Hingang mir
entgelten!
XXXIV
Weshalb verhießest du so
schönen Tag
und ließest ohne Mantel mich
ergehen,
da ich nicht dachte, daß
heraufziehn mag
Gewölk, wo deine Sonne nicht zu
sehen?
Und hast du nun die Wolken auch
verscheucht
und trocknest mir barmherzig
das Gesicht,
das noch, vom nassen Sturm
geschlagen, feucht:
das Mittel schließt die Wunde,
heilt sie nicht.
Mein Schmerz empfängt nicht
Trost von deiner Scham,
und Mitleid wird das Leid nicht
überleben;
daß du dich selbst nun grämst,
kann meinem Gram,
der allzu schwer, nur schwache
Lindrung geben.
Doch ach, die Perlen, die mir
weint dein Auge –
welch schöner Schmuck, der mir
zum Troste tauge!
XXXV
Nicht länger wirf dir vor, was
du getan:
es hat die Rose Dornen, Schlamm
der Quell,
der ekle Wurm fällt süße
Blütean,
und manchmal scheinen Sonn und
Mond nicht hell.
Wir fehlen all’, mir ist der
Fehl zu eigen,
mit Bildern deinen Fehler zu
verschönen,
bestochen bin ich, deinen Wert
zu zeigen,
mehr, als du Schuld hast, mich
dir auszusöhnen.
Für deiner Stimme Fehler hab
ich Sinn,
als treuer Anwalt spricht für
dich dein Feind;
ich klag mich an, und dein ist
der Gewinn.
Und so sind Lieb und Haß in mir
geeint,
daß ihrem Ausgleich nur der
Fehler blieb:
ich bleibe Hehler meinem lieben
Dieb.
XXXVI
Das Schicksal scheidet uns, laß
mich’s bekennen,
ob auch untrennbar unser
Bündnis wäre.
Du mußt dich nun von meinem
Makel trennen,
damit nicht, was ich trage,
dich entehre.
So hat das neid’sche Schicksal
es beschlossen,
zu scheiden, was im Innersten
verbunden.
Zwar trennt es nicht des
Seelenglücks Genossen,
doch stiehlt es dem Genusse
seine Stunden.
Ich darf mich nicht an deiner
Seite zeigen,
daß Schmach du nicht empfängst
von meiner Schmach;
noch darfst du vor der Welt zu
mir dich neigen,
vor der es dir an Ehre sonst
gebrach.
So tu’s nicht! Mein, wie alles
was enthält
dein Dasein, ist dein Ansehn in
der Welt.
XXXVII
So wie ein greiser Vater ganz
beglückt
auf seines Sohnes
Jugendschaffen sieht,
so blüht mir, den das Leben
tief gebückt,
durch dich von neuem, was mir
schon verblüht.
Denn ob Geburt, ob Schönheit,
Wert und Witz
gemeinsam oder einzeln
auserwählt
dich zu der höchsten Gaben
Ehrensitz:
ich habe meine Liebe zugezählt.
So bin ich nicht mehr arm, ich
schwelge mit,
und deine Jugendkraft heilt
mein Ermatten.
Zur Fülle wird der Mangel, den
ich litt,
und neuen Glanz schöpf ich aus
deinem Schatten.
Vermehr’ sich Fülle dir und
Glück und Glanz!
Erfüllte sich der Wunsch, mein
Glück wär’ ganz.
XXXVIII
Wie könnte meiner Muse es
mißlingen,
solang’ du atmest und dein
süßes Leben
in meine Lieder strömst, damit
sie klingen,
die doch nicht fähig, deinen
Klang zu geben!
Dir selber danke, wenn du’s
gern gelesen
und würdig etwas dir von mir
erschien;
wer spräche nicht, der vorher
stumm gewesen,
wem wär’ dein Stoff nicht zum
Gedicht gediehn?
Die zehnte Muse bist du,
zehnmal mehr
an Wert als neun, bekannt der
Dichtermenge;
und wessen Herz dich anruft,
dem bescher’
von deinem Ruhm erfüllte
Hochgesänge!
Gefällt mein schlichtes Lied
der strengen Zeit,
sei mein die Müh, sei dir der Preis
geweiht!
XXXIX
Wie könnt’s gelingen mir, dein
Lob zu singen,
da ich dann nur den bessern
Teil erhob
von mir? Kann Eigenlob denn Lob
mir bringen?
Und lob ich dich, ist’s nicht
mein eignes Lob?
Laß uns deshalb getrennte Wege
gehen
der Liebe, die das Einssein uns
verwehrt,
daß so ich dir vermöchte zu
ersehen
den höchsten Preis, der dir
allein gehört.
Getrenntsein – unerträglich nur
zu denken,
wär’ nicht Gedanke Trost und
Lustgewinn
und wollte Trennung nicht die
Wonne schenken,
die Gram betrügt mit traumversenktem
Sinn.
Aus einem zwei zu machen muß
gelingen:
der eine bleibt, dem andern
lobzusingen.
XL
Nähmst du, Geliebter, alle
Lieben mir,
du kannst nicht mehr von mir
als bisher haben.
Die wahre liebe nicht verbliebe
dir:
dies Mehr vermehrt nicht meine
Liebesgaben.
Nahmst du nunmehr vorlieb mit
meinem Lieb,
du machtest nur Gebrauch von
meinem Lieben;
wogegen mir ein Grund zum Groll
verblieb’,
wenn dich die eitle Lust zur
Tat getrieben.
Aus Liebe, schöner Dieb, will
ich verzeihn,
ob auch dein Raub der Armut
nichts mehr lasse;
und doch ist Leid aus Liebe
größre Pein,
als Leid zu leiden von bewußtem
Hasse.
Du süßer Liebling, töte mich
durch Schmerz –
doch triff mich nicht durch
Feindschaft in mein Herz!
XLI
Die Lust an leichter Sünde,
wenn ich weit
bisweilen deinem Herzen, wohl
entsprach
sie deiner Jugend, deiner
Herrlichkeit;
denn wo du weilst, folgt dir
Verführung nach.
Du bist so willig, leicht drum
zu gewinnen,
du bist so schön, als Beute
drum begehrt;
und wann versagte sich mit
spröden Sinnen
ein Weibgeborner, wenn ein Weib
gewährt?
Und dennoch will ich dir zur
Warnung sagen:
Laß deine süßen Lüste nicht zu
frei,
die dich in diesen tollen
Taumel jagen,
worin du zweifach brechen mußt
die Treu –
die ihre, da dein Reiz sie hat
geblendet,
die deine, da er sich mir
abgewendet.
XLII
Daß sie nun dein, ist nicht
mein ganzer Gram,
obgleich sie meinem Herzen
nahestand.
Doch daß sie, dir sich jebend,
dich mir nahm –
Verlust ist’s wahrlich, den ich
nicht verwand.
Drum so, ihr Sünder, lös ich
euch der Schuld:
du liebst sie, weil du weißt,
daß ich sie liebe;
und sie gewährt dir
meinethalben Huld,
wie wenn es dich für mich nur
zu ihr triebe.
Verlier ich dich, hat so Gewinn
mein Lieb,
verlier ich sie, so wird’s dem
Freunde rommen;
wofür zum Schluß mir selbst die
Tröstung blieb,
nur meinethalb sei’n beide mir
genommen.
Doch sprich, sind wir nicht
eines: du und ich?
So träume ich: sie liebt ja
doch nur mich!
XLIII
Am besten sieht mein Aug, wenn es
sich schließt,
denn ohne Glanz ist ihm des
Tages Welt.
Doch wenn mein Blick im Traum
dein Bild genießt,
dann ist die Nacht ihm wie zum
Tag erhellt.
Du, dessen Schatten Glanz
verleiht der Nacht:
wie würdest du dem hellen Tage
taugen
mit deinem Übermaß an Licht und
Pracht,
da du schon leuchten kannst
geschloßnen Augen!
Wie selig würde, ohne zu
ersatten,
der Blick gewahr am klaren Tag
dein Strahlen,
da doch in dunkler Nacht dein
bloßer Schatten
imstande ist, so hohe Pracht zu
malen!
Der Tag ist Nacht, wenn ich
dein Licht nicht sehe,
die Nacht ist Tag im Traum von
deiner Nähe.
XLIV
Wär’ dieses Leibes träger Stoff
der Geist,
vermöchte keine Ferne uns zu
trennen,
durch Räume wär’ ich rasch dir
nachgereist
und wollte keine Grenze
anerkennen.
Und ständ’ mein Fuß gebannt am
fernsten Ort,
dem Geiste wahrlich wär’ zum
Spott die Schranke,
ich dächte über Land und Meer
mich fort
und schon am Ziele wäre der
Gedanke.
Mich tötet der Gedanke, daß ich
nicht
Gedanke bin, um stets dich
aufzufinden:
mein Element erzwingt mir den
Verzicht,
das Hindernis des Raums zu
überwinden.
Von Erd und Wasser, die in mir
vereint,
sind schwer die Tränen, die ich
dir geweint.
XLV
Doch Luft und Feuer, jene
andern Stoffe,
wo ich auch sei, ich seh bei
dir sie weilen,
enthaltend, was ich denke, was
ich hoffe,
bereit, in Eile es dir
mitzutheilen.
Und wenn sich diese losen
Stoffe trennten,
mit Liebesbotschaft nach dir
ausgesandt,
dann bleib ich mit den trägern
Elementen
zurück und bin vom Grame
übermannt:
so lang’, bis wieder sich die
vier verbinden,
wenn jene Boten von dir
heimgekehrt;
sie trafen dich in wohligstem
Befinden
und brachten Kunde, wie ich sie
begehrt.
Doch kurz das Glück: sie dürfen
nicht verweilen,
besorgt laß ich zu dir sie
wieder eilen.
XLVI
Mein Herz und Auge sind in
wildem Streit
um dich, als ginge es auf Tod
und Leben:
das Aug besteht auf deiner
Lieblichkeit,
das Herz ist nicht entschlossen
nachzugeben.
Das Herz führt an, du seist in
seiner Hut,
in die des Augs Kristall nicht
eingedrungen,
des starrer Anspruch auf dem
Recht beruht,
das es an deinem Bilde sich
errungen.
Gerichtshof sind Gedanken, die
Vasallen
des Herzens zwar, doch auch des
Rechtes Freund.
es fällt der Wahrspruch beiden
zu Gefallen,
und beider Rechte scheinen so
vereint:
Dem Auge sei dein Außenbild
geblieben,
die Liebe, die bekommt das Herz
verschrieben.
XLVII
da nunmehr Herz und Auge sich
vertragen,
tut jedes gerne, was dem andern
tauge:
wenn sich das Herz verzehrt in
Liebesklagen,
wenn schmachtend deinen Blick ersehnt
das Auge,
dann schwelgt das Aug in deinem
holden Bild,
und lädt dann gern das Herz zu
sich als Gast;
und wenn das Herz den
Liebeshunger stillt,
dann wird vom Auge gastlich
mitgepraßt.
So bist bald durch das Bild,
bald durch die Liebe
du, wo du immer wärst, wir
gegenwärtig;
da ist kein Wunsch, der
unerfüllt mir bliebe,
denn flugs wird er mit der
Entfernung fertig.
Und wenn er schliefe, weckte
ihn dein Bild,
das Herz und Aug mit gleicher
Lust erfüllt
XLVIII
Ging ich auf reisen, pflegt’ ich
jeden Kram
zu Haus vor ungetreuer Hand zu
hegen,
um zu besitzen, wenn ich
wiederkam,
und neu zu nützen, was mir
brach gelegen.
Und dich, vor dem mein Schatz
in Nichts zerstiebt,
einst Trost mir, heut imstand
mich so zu quälen,
dich, den weit mehr als Schätze
ich geliebt,
dich konnte jeder schnöde Dieb
mir stehlen!
Nur wo du nicht bist, hielt ich
dich verschlossen:
im Herzensschrein; und doch,
ich fühl’s, vor allen
bist du ja drinnen, wo du
unverdrossen
magst ein- und ausgehn, je nach
Wohlgefallen.
Daß man noch hier dich raubt,
zu fürchten blieb’:
um solchen Preis wird
Ehrlichkeit zum Dieb!
XLIX
Für jene Zeit – o wär sie
abzuwenden! –
wo alle meine Fehler dich
verdrießen,
und wo du ließest deine Liebe
enden
und Klugheit deines Herzens
Rechnung schließen,
für jene Zeit, wo du mir gehst
vorbei,
die Sonne deiner Augen kaum
mich grüßt,
daß kalte Würde an der Stelle
sei,
wo letzte Glut des Herzens
eingebüßt –
für jene Zeit erhalt ich mir
Bestand,
bereit, was mir gebühre, zu
erkennen,
und, wider mich erhebend meine
Hand,
die Sache, die du führst,
gerecht zu nennen.
Brichst du den Bund, so ist’s
nicht anzufechten;
das Recht der Liebe ruht ja
nicht auf Rechten.
L
Wie langsam schlepp ich mich
von Platz zu Platz,
da ich vom Ziel, es scheuend,
nichts gelernt
auf Rast und Reise als nur
diesen satz:
„Wie weit bist du von deinem
Freund entfernt!“
Mein Tier trabt träge seines
Weges hin,
als trüg’ es die Beschwer von
meinem Gram
und spürte meinen Schmerz, von
dir zu ziehn,
und meinen Wunsch, daß ich
nicht weiter kam.
Vergebens, wenn ich manchmal
doch es sporne,
der blut’ge Sporn befeuert
nicht den Schritt;
wie’s stöhnend leidet unter
meinem Zorne,
weit schwerer leid ich seine
Schmerzen mit.
Für sie bekam die Mahnung ich
zurück:
der Gram liegt vor mir, hinter
mir das Glück.
LI
Die Liebe soll dem faulen Gaul
gewähren
die lahme Gangart, wenn ich von
dir gehe.
Bedarf’s der Eile, sich von dir
zu kehren?
Sie frommt mir nur, daß ich
dich wiedersehe.
Doch ob der Gaul mit Ausflucht
auch bestünde,
wenn schnellste Schnelle dann
nicht schnell genug?
Ich spornte scharf, undritt ich
auf dem Winde,
und Stillstand schiene mir der
schnellste Flug.
Dann kann kein Roß mit meiner
Sehnsucht mit,
und wiehern wird sie – echter
Liebe Sproß
ist sie, nicht dumpfes Fleisch
– im Sturmesschritt.
Und Liebe so entschuld’gen mag
mein Roß:
Es bleibe faul, ob von dir
gehend, ob
zu dir – ich komme zu dir im
Galopp!
LII
Dem reichen Manne gleich’ ich,
der im stillen
den Schlüssel führt zu den
geheimen Schätzen,
die er dem eignen Blick nicht
will enthüllen,
daß nicht Gewöhnung stumpfe das
Ergötzen.
Darum sind seltne Feste so
begehrt,
die glänzend doch das ganze
Jahr bescheinen,
wie durch Juwelen von besondrem
Wert
gemehrt der Glanz wird an den
andren Steinen.
So wahre ich dich in dem
Schrein der Zeit,
wie Festgewand dich sorgsam zu
verschließen,
um, wenn es Zeit ist, deine
Herrlichkeit
in der Enthüllung gänzlich zu
genießen.
Gesegnet bist du, der die Lust
mir weckt,
wenn offen du – mein Hoffen,
wenn verdeckt.
LIII
Aus welchem Stoff hat dich
Natur gemacht,
daß dich umschweben ungezählte
Schatten?
Ist jedem sonst nur einer
zugedacht,
vermagst du allen alle zu
erstatten.
Wenn man Adonis bildet, ist das
Bild
nur schwaches Abbild deiner
Lieblichkeit;
und Helena, von Strahlenglanz
umhüllt,
du bist es, neu gemalt im
Griechenkleid.
Der Frühling und des reifen
Sommers Segen:
der bietet deiner Schönheit
Schatten nur
und der nur Mangel deiner Fülle
wegen;
in jeder Form besiegst du die
Natur.
Der ihr in allem äußern Glanze
gleicht,
an Treue bleibst du gleichwohl
unerreicht.
LIV
O wieviel schöner Schönheit uns
ersteht,
wenn innrer Wert dem Schmucke
zugestellt!
Schön ist die Rose; ihren Glanz
erhöht
jedoch der holde Duft, den sie
erhält.
Die Heckenrose hat die gleiche
Glut,
dieselben Dornen wie die echten
Rosen,
und ihre Lust, die in der
Knospe ruht,
erwecken Winde mit dem gleichen
Kosen.
Doch all ihr Wert erschließt
sich bloß im Schein,
bestimmt nur, unbegehrt am
Strauch zu sterben.
Die echte wird uns sterbend
noch erfreun
und duftend süßen Nachruhm sich
erwerben.
Dir, schöner Freund, wenn
Schönheit einst verdorrt,
lebt doch dein wert in meinem
Liede fort!
LV
Kein Marmorstein, kein Fürstenmonument
wird überdauern mein gewalt’ges
Wort,
aus deiner Hoheit höhern Ruhm
bekennt
als Ehre, die im Erdenschmutz
verdorrt.
Wenn Raserei zu Staub
zersprengt den Stein,
wenn Krieg die Mauern der
Paläste bricht,
nicht Schwert, nicht Feuer soll
imstande sein,
zu löschen dieses lodernde
Gedicht!
Du gehst durch Tod,
verzehrendes Vergessen,
vor allem leuchtend, was da
sinkt ins Nichts,
und deiner Herrlichkeit sind
zugemessen
die Tage bis zum Tage des
Gerichts.
Bis es zu andrem Leben dich
beschied,
liebst du im Aug der Liebe
durch mein Lied!
LVI
O süße Liebe, deine Macht
verstärke,
daß nicht die schale Welt sie
wollte messen
am Hunger, der schon morgen
greift zum Werke,
nachdem er heute erst sich satt
gegessen.
So tu desgleichen: daß dein
gierig Auge
sich heut am Hochgenuß der
Schönheit freue,
doch mach, daß morgen wieder
sie ihm tauge,
gewähre niemals, daß dein Geist
bereue.
Wie Meeresflut ist triste
Zwischenzeit:
zwei Küsten und zwei Liebende
getrennt;
die täglich Wartenden verbindet
Leid,
worin die Glut des
Wiederfindens brennt.
Dazwischen ist auch Winter, der
nur währt,
Daß man den Sommer sehnlicher
begehrt.
LVII
Dein Sklave bin ich, harrend
der Befehle,
und deinem Winke folg ich
unbedingt,
und keinen andern Dienst ich
mir erwähle
als dir zu dienen, wenn du nur
gewinkt.
Verspätet sich der Wink, will
ich nicht schelten,
ob mir die Uhr auch allzu
langsam ging,
und Trennungsweh laß ich dich
nicht entgelten,
wenn ich verschwinden muß auf
deinen Wink.
Ich suche nicht mit
eifersücht’gem Sinn
mich in dein Tun und Wollen zu
vergraben –
doch denk ich an die andern,
die Gewinn
von deiner holden Gegenwart nun
haben.
Ein solcher Sklav ist Liebe:
ihr ist’s Pflicht,
was du auch tust, zu sehn im
hellsten Licht.
LVIII
Verhüte Gott, der dir zum Knecht
mich machte,
daß ich, wohin dich auch dein
Weg mag führen,
die Stunden deiner Muße
überwachte,
und nähme mir das Recht, dir
nachzuspüren.
In deiner Freiheit Kerker will
ich schmachten,
verhaftet dir, auf deinen Wink
bereit,
will, was du immer tust, für
gut erachten
und mich dir beugen ohne
Bitterkeit.
Sei, wo du willst: dein
Freibrief stellt dir frei,
die glücklichen Minuten
durchzuleben;
tu, was du willst: und was es
immer sei,
du selbst nur hast das Recht,
dir zu vergeben.
Ich harre in der Hölle; nicht
mein Recht
ist Tadel deines Tuns, ob gut
ob schlecht.
LIX
Wenn nichts mehr neu, schon
alles dagewesen,
dann ist’s ein Trug, daß unser
Hirn erfinde.
Vergebne Müh: es wollte neu
genesen,
und nieder kommt’s mit schon
gebornem Kinde.
O daß ich doch fünfhundert
Sonnenjahre
zurück könnt’ schreiten auf der
Zeiten Pfad,
bis ich dein Bild in einem Buch
gewahre,
worin zuerst der Geist aus
Zeichen trat!
Dann wüßt’ ich, ob die Alten
Ruhm gebreitet
um deiner Schönheit Wunder,
deinen Wert;
ob vorwärts unsre Welt, ob
rückwärts schreitet,
ob wandelnd nur das Gleiche
wiederkehrt.
Doch weiß ich: man vermocht’ in
frühern Tagen
von schlechterm Wert zu singen
und zu sagen.
LX
Wie Wellen an dem Kieselstrand
verrauschen,
so fluten die Minuten hin zum
End,
und immer naht die nächste, um
zu tauschen
mit der, die eben schwand im
Element.
Gebornes, ganz vom Meer des
Lichts umflutet,
erwächst zur Höhe; wenn sie
kaum erklommen,
droht Dunkel, und bald sieht
man, wie sich sputet
die Zeit, die, was sie gab, schon
hat genommen.
Man sieht, wie sie verheert das
junge Grün
und wie sie Furchen gräbt in
schöne Flächen;
nichts ist in der Natur zum
Glanz gediehn,
das man nicht sieht an ihrer
Sichel brechen.
Und doch, wie immer sie der
Schöpfung droht,
mein Lied, es trotzt der
grimmen Zeit Gebot.
LXI
Befiehlst du, daß dein Bild in
banger Nacht
mein schlafbefangnes Auge offen
halte?
Und daß ein Schatten, der dir
nachgemacht,
verlachend mich, mit meinem
Schlummer schalte?
Hast du aus weiter Ferne deinen
Geist
zu mir gesandt, damit er
forschend findet
die Untreu meines Tuns und dir
beweist,
worin sich deine Eifersucht
begründet?
O nein, so groß ist deine Liebe
nicht!
Mich halten wach die eigenen
Gefühle;
sie leisten ruhlos auf den
Schlaf Verzicht,
damit ich deinethalb den
Wächter spiele.
Weit fort von dir, ist auch der
Schlaf vertrieben:
ich wach’ für dich, und du mit
andern Lieben.
LXII
Die Eigenliebe, eingeseßne
Sünde,
den Sinn hält sie, das Innre
mir gebunden,
und übel ist’s, daß ich kein Mittel
finde,
um von dem Übel endlich zu
gesunden.
Kein Antlitz scheint mir schön
wie mein Gesicht,
ich bin an Form und Inhalt
ohnegleichen;
und wenn ich selbst bestimme
mein Gewicht,
vermag wohl nichts an mich
heranzureichen.
Nur wenn ich manchmal mich im
Spiegel schau,
so matt und mürbe, müd und
abgetrieben,
dann wird auch meine Eigenliebe
lau,
da wär’, es Laster, so sich
selbst zu lieben!
Mein Selbst bist du: dir bleibe
meine Liebe,
daß meinem Alter deine Jugend
bliebe.
LXIII
Einst trifft wie mich,
Geliebter, dich die Zeit
mit ihrer wilden Wut und macht
sich mürbe.
Wenn sie dein Blut gedörrt, dir
Runzeln streut
auf deine Stirn, an denen
Schönheit stürbe;
wenn in die Nacht sie lockt den
jungen Tag,
und Herrlichkeit, der du als
Herr noch heute
befiehlst, sie abzuwenden dir
vermag,
und wenn dein Frühling fiel der
Zeit zur Beute:
für solche Zeit, dich ihres
Schwerts zu wehren,
bewähr ich Kraft, als deines
Werts Erhalter;
nicht soll die Zeit ihn mit dir
selbst verheeren,
er sei bewahrt durch alle Menschenalter.
Sein Zeugnis ist mein Lied in
schwarzen Lettern
auf meiner Liebe immgrünen
Blättern!
LXIV
Seh ich mit grausem Griff die
Zeit zerwühlen
erhabnen Prunk der hingesunknen
Welten;
stell ich mir vor, wie stolze
Türme fielen,
und Trümmer nur für erzne Male
gelten;
seh ich des Meers begehrendes
Gebiß
an königlichem Strande wölfisch
nagen,
und wie das Festland wieder
sich entriß,
Gewinn Verlust, Verlust Gewinn
muß tragen;
und seh ich diesen Wandel, dies
Verkümmern,
und alles, was da war, zum Schluß
ein Schemen –
da steigt mir der Gedanke aus
den Trümmern:
die Zeit wird mir auch meine
Liebe nehmen.
Gedanke, der in Todestrauer
führt:
zu denken, daß man hat, was man
verliert!
LXV
Wenn Erz und Stein, wenn Erd
und Meeresschwall
versehrt, verheert wird, von
der Zeit verzehrt,
wie rettet sich die Schönheit
vor Verfall,
nicht stärker als die Blume nur
bewehrt?
Wie soll sich Sommers holder
Atem halten,
von der Gewalt des Sturmgewölks
bedrängt,
die doch vermag den starren
Fels zu spalten
und noch das stärkste Eisentor
zersprengt?
O Graungedanke! Wer denn kann
der Zeit
ihr herrlichstes Juwel
beizeiten wehren?
Wer stellt sich ihrer gieren
Eil zum Streit,
wenn sie bereit ist, Schönheit
zu zerstören?
Nein, keiner kann’s, wenn nicht
mein Wort es trifft:
ihr Wert erstrahlt aus einer
schwarzen Schrift.
LXVI
Den Tod ersehn’ ich, müd, es
anzusehn:
wie sich Verdienst verhüllt im
Bettlerkleide
und hohles Nichts sich darf im
Prunke blähn
und Treue wird verkauft durch
falsche Eide,
wie Würde trägt der auspepichte
Wicht
und keusche Sittlichkeit
verfällt in Schande
und echte Ehre lebt im
Gunstverzicht
und Majestät im schlotternden
Gewande,
wie Kunst verstummen muß vor
Büttels Macht
und Geist entsagt für die
gelehrten Narren
und Wahrheit wird als Torheit
ausgelacht
und Güte muß des Winks der
Bosheit harren.
All dessen müd, hielt’ ich den
Tod für Glück,
blieb’ meine Liebe einsam nicht
zurück.
LXVII
Ach, warum lebt vom Aussatz er
umgeben,
warum darf Unwert mit dem Werte
gehn
und freches Laster mit der
Tugend leben
und sich durch ihre
Herrlichkeit erhöhn?
Wie darf der tote Schein dem
Antlitz gleichen,
von dem er den lebend’gen Glanz
bezieht?
Wie darf die Schattenrose sich
erschleichen
die Pracht, die einer echten
Rose blüht?
Was lebt er, wo Natur
zusammenbrach
und ihre Adern schon kein Blut
mehr haben?
Die stolz auf viele einst und
nun in Schmach,
sie zehrt nur noch von seinen
Liebesgaben.
In schlechter Zeit bewahrt sie
ihn als Bild
von jenem Reichtum, der sie
einst erfüllt.
LXVIII
So scheint er ganz dem Bild der
Zeit zu gleichen,
wo Schönheit lebte, wie die
Blume blüht;
eh man für sie erfand das
Bastardzeichen,
das diese heut’gen Stirnen
überzieht.
Eh dem geweihten Staub man
seine Rechte,
den Toten ihre Lockenpracht
geraubt,
und eh mit solcher Beute sich
erfrechte
zu prunken das lebendig kahle
Haupt.
In seinem Bild erblühn die
heil’gen Stunden
der Schönheit, die sich selbst
zum Schmuck erseh’n,
die fremdem Grün nicht ihren
Lenz entbunden,
nicht prahlte mit gestohlenen
Trophä’n.
Ihn schuf Natur, daß falsche
Kunst kann lesen
das Wesen echter Schönheit, die
gewesen.
LXIX
Dein Außenbild, vom Aug der
Welt geschaut,
hat jeden Vorzug, der nur
auszusinnen.
In jedem Herzen wird dies Lob
dir laut,
und selbst dem Feinde wirst du’s
abgewinnen.
Dein Äußres wird mit äußrem
Preis geehrt;
doch alle, die dir solche Ehre
gönnen,
sie haben leider oft das Lob
zerstört,
noch weiter sehend, als die
Augen können.
Bestrebt, zu deiner Seele
vorzudringen,
nach deinen Taten deinen Wert
zu schätzen,
wird’s ihnen trotz dem
günst’gen Blick gelingen,
mit Gifthauch deine Blume zu
verletzen.
Der Grund, daß du nicht duftest
wie du scheinst,
ist: weil du mit Gemeinem dich
vereinst.
LXX
Daß man dich tadeln will, sei
dir kein Tadel:
am Glanze tut Verleumdung sich
genug,
Verdacht verleiht der Schönheit
erst den Adel,
zum Äther nimmt die Krähe ihren
Flug.
Bist gut du, wird Verleumdung
dich erhöhen,
und vor der Welt wirbt sie für
deinen Wert;
in reinster Blüte ist der Wurm
zu sehen,
und er begehrt dich, weil du
unversehrt.
Du gehst hervor aus junger Tage
Kämpfen,
teils Überwinder und teils
unberührt;
doch kann dein Ruhm den argen
Neid nicht dämpfen,
den täglich er nur umso stärker
schürt.
Wär’ nicht der Neid dem Ruhm an
Größe gleich,
der Menschheit Herz hätt’st du
als Königreich.
LXXI
Nicht länger klage, wenn dahin
ich ginge,
als bange nachklingt dumpfer
Glocke Ton,
der grauser Welt die Botschaft
überbringe,
daß ich nunmehr bei grausen
Würmern wohn.
Ja liest du dieses, denke nicht
an den,
der es dir schrieb; so lieb ich
seinen Wert,
und lieber: mich von dir
vergessen sehn,
als daß der Schmerz des Denkens
dich verzehrt.
Und siehst du später noch auf
dies Gedicht,
wenn einst nur Staub von mir
zurückgeblieben,
dann nenn auch meinen armen
Namen nicht,
mit meinem Leben sei dahin dein
Lieben.
Sonst hört die kluge Welt den
Klageton
und hat für dich um meinen
Hingang Hohn.
LXXII
Daß man nicht einst in dich mit
Fragen dringe,
was denn an mir dies Liebesmaß
verdiene,
vergiß mich, Freund, wenn ich
von hinnen ginge,
du wiesest wenig vor, was
würdig schiene.
Nur Pietät vermöchte fromm zu
lügen,
Verdienste des Verstorbnen
anzupreisen,
mehr, als die Wahrheit, der sie
nicht genügen,
imstande wäre diesem
nachzuweisen.
Daß nicht als falsch erscheine
wahre Liebe,
weil ich aus Liebe falsches Lob
bekam,
so wünsch ich, daß, bin ich im
Grab, nicht bliebe
mein Nam zu deiner und zu
meiner Scham.
Beschämt wär’ ich, weil sich
mein Nichts erwies.
Beschämt wärst du, der solchen Unwert
pries.
LXXIII
In mir magst du erschaun die
späte Frist,
wo immer mehr der welken
Blätter fallen,
im Frost erzittert dürres
Astgerüst,
ein kahler Chor, wo einst war
Vogelschallen.
Du siehst in mir das fahle
Dämmerlicht,
wenn sich die Sonne will zum
Hingang wenden,
das bald in schwarze Nacht
entweicht der Sicht,
in totengleiches finsteres
Verenden.
Du siehst in mir, wie letzte
Glut noch glimmt,
auf ihrer Jugend Asche
hingebreitet,
die ihr bereits zur letzten Ruh
bestimmt,
wo einst’ge Nahrung ihr den Tod
bereitet.
Und siehst du’s, wirst du
größre Liebe fassen
zu dem, der allzu bald dich muß
verlassen.
LXXIV
Doch bange nicht! Wenn mich das
Hochgericht,
das keine Bürgschaft kennt, zu
sich beschied –
was dann von mir noch bleibt,
hat doch Gewicht
und bleibt ein Denkmal dir in
meinem Lied.
Wenn du es liest, so übersiehst
du nicht,
dir ist mein Selbst, mein
beßres Teil vermacht;
die Erde hat den Staub als Teil
der Pflicht,
der Geist sei dir allein nur
zugedacht.
Mein irdisch Teil verlorst du,
das nur heute
noch Geltung hat und morgen
Würmer nährt:
was jedem Mördermesser wird zur
Beute,
nicht wert, daß es Erinnrung
dir gewährt.
Der Wert des Leibs ist Geist,
den er enthält,
und der bleibt dein, wenn jener
auch zerfällt.
LXXV
Was Brot dem Leibe, bist du
meiner Seele,
was dürrer Saat der Regen, bist
du mir,
der ich um deine Ruh mich
rastlos quäle,
wie es dem Geizhals geht mit
seiner Gier.
Bald möcht’ ich prahlend meinen
Schatz genießen,
bald zittr’ ich, daß die Zeit
ihn bald mir stiehlt;
bald wünsch ich, ganz mit dir
mich einzuschließen,
bald, daß mein Glück sich aller
Welt empfiehlt.
Bald schwelgt mein Blick in
deiner Schönheitsfülle,
um bald nach deinem Blicke zu
verschmachten,
und keine andre Lust bleibt
Wunsch und Wille,
als deiner Lust beseligt
nachzutrachten.
So fühl ich täglich, wechselnd
auf der Stelle,
mich bald im Himmel, bald mich
in der Hölle.
LXXVI
Warum entbehrt mein Vers der
neuen Pracht
und dient nicht dem Geschmack
der letzten Mode?
Warum ist meine Form nicht
nachgemacht
der ausgesucht modernen
Wortmethode?
Wie kommt’s, daß so mein
unbeirrter Geist
Gedanken hüllt in altbekannte
Hülle,
wo jedes Wort schon auf den
Autor weist,
an jedem gleich erkennbar wird
sein Wille?
Das kommt wohl daher, daß ich
Ausdruck geben
von dir allein nur kann und
meinem Lieben;
und leih ich alten Worten neues
Leben,
so ist mein Lied das alte doch
geblieben.
Der Sonne gleich mit täglich
gleichem Schein,
fällt mir für dich nur stets
dasselbe ein.
LXXVII
Im Spiegel siehst du deine Schönheit
fliehn,
die Uhr gibt kund die Flucht
dir deiner Stunden.
Ist diesen Blättern erst dein
Geist verliehn,
hast bald du selbst die Frucht
davon gefunden.
Die Risse, die das Bild dir
hält bereit,
sie mahnen dich: schon stehen
Gräber offen;
der Zeiger: wie mit
Diebesschritt die Zeit
bald in der Ewigkeit ist
eingetroffen.
Was dein Gedächtnis sir nicht
kann bewahren,
in diese Blätter sollst du es
verschließen,
daß fremdgewordne Worte du nach
Jahren
als deine Geisteskinder kannst
begrüßen.
Begib dich oft ans Werk, es
wird dir nützen,
vermehrend deine Früchte zu
besitzen.
LXXVIII
Als meine Muse rief ich dich so
oft
und so viel Stärke gabst du
meinem Lied,
daß jeder Kiel sich nun Erfolg
erhofft,
wenn er zu deinem Preise sich
bemüht.
Dein Anblick gibt dem Stummen
Melodien
und läßt des Lahmen Höhenflug
gelingen,
hat der Gelehrtheit neuen
Schwung verliehn
und noch gemehrt die Kraft von
Engelsschwingen.
Doch mehr hast wahrlich Grund
du stolz zu sein
auf mein Gedicht, das ganz aus
dir entsprungen.
An andern magst verschönern du
den Schein,
den Reiz erhöhn, der deinem
Reiz gelungen.
Du selbst bist meine Kunst:
durch deine Gunst
verwandelt sich mein roher
Stoff in Kunst.
LXXIX
Da ich allein dich rief als
Muse an,
zehrt’ ich allein von deiner
Anmut Gnade.
Doch ist nun bald mein
Liederschatz vertan,
und andre schreiten schon auf
meinem Pfade.
Ich weiß, Geliebter, wohl: dein
holdes Bild
ist wert, daß beßre Dichter von
ihm singen;
doch was den Sänger je vor dir
erfüllt,
er stahl es dir, um dir’s
zurückzubringen.
Pries deine Tugend er, nahm er
den Preis
von deiner Art; der deine
Schönheit sang,
fand sie auf deinem Antlitz,
und er weiß,
daß jedes Wort aus deinem Wert
entsprang.
Drum dank ihm nicht, bezahl
nicht Huld mit Huld;
du hast geschenkt – er bleibt
in deiner Schuld.
LXXX
Wie fehlt die Kraft mir, deinen
Wert zu preisen,
seitdem zu dir ein stärkrer
Geist gefunden,
vor dessen hochberühmten
Kraftbeweisen
sich meines Liedes Zunge fühlt
gebunden!
Doch da dein Reichtum gleicht
dem Ozean,
der schlichte Schiffe wie die
stolzen trägt,
so magst du dulden, daß mein
armer Kahn
auf deiner schönen Welle sich
bewegt.
Ich brauche Beistand, der mich
oben hält,
wenn jener flott sich auf die
Fahrt gemacht;
und bin als leerer Nachen ich
zerschellt,
zieht er dahin mit Pracht und
stolzer Fracht.
Wenn glücklich er in deinen
Hafen triebe,
was liegt an mir: gestrandet an
der Liebe!
LXXXI
Leb ich noch an dem Tag, der
dich begräbt,
bist du noch da, wenn ich zu Staub
zerfallen:
kein Tod hat Macht, und dein
Gedächtnis lebt
der Erdenwelt, die lang’ vergaß
mein Wallen.
Unsterblich bleibst du, wenn
ich dich verlasse,
und an mein Ende schließt sich
der Beginn,
weil ich mein Lied von dir zu
Herzen fasse
und deine Schönheit in der
Nachwelt Sinn.
Mein Vers sei Denkschrift dir,
in der zu lesen
noch Ungebornen einstens wird
vergönnt;
und wer dann sein wird, weiß,
daß du gewesen.
Ich setze dir mein Wort als
Monument.
Der Geist, der es erschuf, kann
Macht verleihn:
Solange Menschen leben, wirst
du sein!
LXXXII
Da du ja meiner Muse nicht
vermählt,
so hast du keiner Untreu dich
zu schämen,
wenn du die Worte, die sie dir
erwählt,
geneigt bist von den Dichtern
anzunehmen.
Du bist an Form und Inhalt so
voran,
daß schwer mein Wort es hat,
dir nachzukommen;
und darum brauchst du den, der
besser kann
und zeitgemäßer deiner
Schönheit frommen.
Es sei; doch würden sie dir
alle bringen,
was man mit Redekunst
zustandebringt –
von deiner wahren Schönheit
wahr zu singen,
doch einzig deinem wahren
Freund gelingt.
Für alterswelke Wangen Schminke
muß
das ihre tun – an dir wär’s
Überfluß.
LXXXIII
Nie fand ich, daß es dir an
Farbe fehle;
so schien mir’s leicht, auf
Schminke zu verzichten.
Zu schön erschienst du mir, als
daß man wähle
die Worte, dein gedicht zu
überdichten.
Drum war ich säumig, deinen
Wert zu preisen,
daß überzeugend für sich selbst
er spreche,
imstande, durch sein Dasein zu
erweisen
poetischen Erdreistens ganze
Schwäche.
Und dieses Stummsein, dir erschien’s
als Schuld –
ich dachte, daß es mir zum Ruhm
gereiche:
aus Schweigen wird nicht
Kränkung deiner Huld,
durch falsches Wort wird Leben
eine Leiche.
in einem deiner Augen ist mehr
Leben,
als beiden deine beiden Dichter
geben.
LXXXIV
Wer singt am besten? Was könnt’
besser singen
dein Lob als dieses Wort: „Nur
du bist du“?
vermögend, ganz und gar dich zu
umschlingen
und andre auszuschließen
immerzu!
Die Feder, der es möcht’ an
Schmuck gebrechen
für ihren Stoff, verdiente
ihren Tadel;
jedoch die Fähigkeit, von dir
zu sprechen:
„Nur du bist du“, verleiht dem
Lied den Adel.
Der Dichter sei imstand, dich
abzuschreiben,
er mindre nicht
naturgeschaffnen Wert,
und solch ein Abbild wird von
dir verbleiben,
daß alle Welt als Künstler ihn
verehrt.
Dein Fluch: statt stolz zu sein
auf solchen Segen,
bist eitel du dem leeren Lob
erlegen.
LXXXV
Es schweigt die Muse mir,
bewahrt die Haltung,
sie scheut der goldnen Federn
Lobgedränge,
die allen Schmuck zu deines
Ruhms Entfaltung
beborgt gleich von der ganzen
Musenmenge.
Nicht schlechter denk ich, als
ein andrer dichtet,
und wie der Küster will ich
Amen sagen
zu jedem Preislied, das, an
dich gerichtet,
zu deinem Ruhme kunstvoll
beigetragen.
Dein Lob erfüllt gefällig ganz
mein Ohr,
noch größres Lob oft hätt’ ich
unterschrieben –
doch nur im Geist, der liebend
kommt zuvor
dem Wort von mir, das weit
zurückgeblieben.
Gib Lob dem Wort der andern,
mir zu zeigen
die wahre Gunst für mein
beredtes Schweigen.
LXXXVI
War’s seiner Dichtung Prunkschiff,
ohne Wanken
in siegessicherm Kurs auf
deinen Wert,
was mir zerstört hat reifende
Gedanken,
zur Gruft verkehrt den Schoß,
der sie gebärt?
War es sein Geist, der, mehr
als Menschen ahnen,
von Geistern mitbekam, was mich
verdorrt?
Nein, nicht vor ihm, noch
seinen Nachtkumpanen,
die ihm zur Hand gewesen, wich
mein Wort.
Nicht er, auch nicht der
Hausgeist, der bei Nacht
ihn treu mit falscher Weisheit
macht zum Narren,
hat sieghaft zum Verstummen
mich gebracht;
nicht derlei Furcht ließ mir
das Blut erstarren.
Jedoch dein Lob, das ihm den
Atem nährt
zu seinem Lied, hat mir ihn
ganz verzehrt.
LXXXVII
Leb wohl! Zu hoch stehst du im
Preis für mich,
und weißt, daß du vor allen
auserkoren.
Nach deines Wertes Rechte frei,
zerbrich
den Bund; mein Recht auf dich
hab ich verloren.
Wenn nicht geschenkt, wie wärst
du meine Habe
War durch Verdienst solch
Reichtum mir beschert?
da ich in nichts bin würdig
deiner Gabe,
gehört sich’s, daß sie wieder
dir gehört.
Du gabst dich, weil du deinen
Wert nicht kanntest,
vielleicht auch weil den meinen
du verkannt;
drum wieder wird, da deinen
Sinn du wandtest,
was mein durch Irrtum war, dir
zugewandt.
So warst du mein durch eines
Traumes Macht:
ich schlief als Fürst, zum
Nichts bin ich erwacht.
LXXXVIII
Wenn Leid mir zuzufügen dich
erfreute
und mein Verdienst mit deinem
Spott zu schmähn,
so kämpf ich gegen mich auf
deiner Seite,
bereit, trotz falschem eid dich
treu zu sehn.
Die eignen Schwächen kann ich
mir nicht hehlen
und will sie zeigen dir mit
offnem Sinn,
und kennst du all mein Fehlen
und Verfehlen,
so wird dir mein Verlust gar
zum Gewinn.
Und schließlich mach ich’s mir
auch zum Geschenke:
da ich an dich zu denken nur
vermag,
so bringt die Schmach, mit der
ich selbst mich kränke,
als dein Ertrag mir doppelten
Ertrag.
So lieb ich dich, und darf mich
nicht beklagen:
was Liebe einträgt, hat sie zu
ertragen.
LXXXIX
Gib meinem Fehler Schuld, und
ich will schnell
entschuld’gen mich, weil du mir
rachst die Treu;
sag, ich sei lahm: ich hinke
auf der Stell,
damit mein Gang dich nicht der
Lüge zeih’.
Du kannst, mein Lieb, nicht
halb so tief mich beugen,
den Wandel deiner Neigung zu
verhüllen,
als ich mich selbst: ich will
mich kalt dir zeigen
und durch Entfremdung achten
deinen Willen.
Ich geh dir aus dem Weg; ich
bin entschlossen,
selbst deinen holden Namen
nicht zu nennen,
daß nicht entehrt den einstigen
Genossen
des Glücks ein Wort durch
törichtes Bekennen.
Nur Selbsthaß läßt die Liebe
mir am Schluß,
weil den, den du nicht liebst,
ich hassen muß.
XC
So hasse mich, doch tu’s im
Augenblick,
jetzt wo die Welt mein Werk
durchkreuzen mag;
dem Schicksal hilf mich treffen
ins Genick,
doch triff mich nicht als
allerletzter Schlag!
O, wenn mein Herz besiegt hätt’
diese Sorgen,
komm nicht als Nachtrab
überstandner Qual;
gib nicht zur Wetternacht noch
Regenmorgen,
verzögre nicht, was kommen muß
einmal!
Willst du mich lassen, tu’s mit
schnellem Streich
und nicht, wenn kleines Leid
schon hingeschwunden;
triff lieber gleich mich, denn
so fühl ich gleich:
nun hat das Schicksal ganz mich
überwunden.
Und alles Leid, das shmerzlich
mir bewußt,
verliert sich, wenn sich
vorstellt dein Verlust.
XCI
Der prahlt mit Kunst, und der
mit dem Vermögen,
der legt auf Kraft, der auf den
Adel Wert,
der fühlt im Geckenkleid sich
überlegen,
und den erfreuen Hund und Falk
und Pferd.
Jedwedem Wesen so ist
zugemessen
die Freude, die sich ans
Besondre wendet.
Mir, fern von solchen
Einzelinteressen,
ist doch umfassend größres
Glück gespendet.
Weit mehr als Adel, mehr als
Prunkgewand,
und mehr als Geld, als Pferd
und Falk und Hund
bedeutet mir das sichre
Liebespfand;
und alle haben mich zu neiden
Grund.
Verkürzt nur bin ich einzig
durch den Glauben,
du könntest dieses Gutes mich
berauben.
XCII
Doch tu dein Schlimmstes nur:
laß mich allein!
Solang’ ich bin, wirst du zu
mir gehören.
Die Zeit der Liebe wird mein
Leben sein;
denn nur von ihr vermag es sich
zu nähren.
So hab ich keine Furcht vor
schlimmstem Leiden,
da das geringste mich schon überwunden,
und seh ein beßres Los sich mir
bescheiden,
als das an deine Laune mich
gebunden.
Du kannst nicht mehr mit
Unbestand mich kränken;
dort wo du abfällst, endet mir
das Leben.
Wie gütig will das Schicksal
mich beschenken:
in Liebe und im Tod mir Glück
zu geben!
Wo aber wär’ Vollendung, der
nichts fehlt?
Du könntest falsch sein und
hast mir’s verhehlt.
XCIII
So leb ich in dem Wahn von deiner Treue,
getäuschtem Gatten gleich, und schließ aufs Herz
aus deinem Blick, und wenn sich’s auch erneue;
mir bleibt dein Aug, das Herz floh anderwärts.
Denn Haß kann ich in deinem Aug nicht finden,
von deiner Wandlung gibt es nicht Bericht;
sie läßt aus andern Zügen sich ergründen,
durch die die Lüge leicht gelangt ans Licht.
a Gott dich schuf, beschloß er: niemals fehle
auf deinem Antlitz reiner Liebe Schein;
was immer auch ersinne deine Seele,
im Aug soll nichts als holde Treue sein.
Doch will sie nicht an deine Schönheit reichen,
wird deine Schönheit Evas Apfel gleichen.
XCIV
Wer Kraft zum Angriff hat und
ihn nicht führt,
wer das nicht übt, wofür er
angesehn,
wer andre aufrührt, selber
ungerührt,
und jedem Ruf vermag zu
widerstehn:
der soll mit Recht den
Himmelslohn erhalten,
der wahrt vor der Verschwendung
ird’sche Gaben,
der darf als eigner Herr in
Hoheit schalten
und alle Welt zu seinem Diener
haben.
Die Sommerblume ihren Sommer
freut,
mag sie für sich nur blühen und
vergehen;
doch macht ein fauler Fleck an
ihr sich breit,
wird man das ärmste Unkraut
lieber sehen.
Welch trostlos Sterben, wenn
die Schönheit stirbt!
Kein Sumpf riecht wie die
Lilie, die verdirbt.
XCV
Wie lieblich und wie süß machst
du die Sünde,
die wie der Wurm in duft’ge
Rose fand!
Wie hüllst du das, woraus dir
Schmach entstünde,
so zärtlich in ein wonniges
Gewand!
Die Zunge, die dein zügelloses
Treiben
anzüglich, übertreibend gar,
berichtet,
läßt selbst den Tadel ohne Lob
nicht bleiben,
weil schon dein Name schlechten
Ruf vernichtet.
Wie ward den Lastern doch zum
Aufenthalt,
zum Wohnsitz auserwählt hier
ein Palast;
und jedes einzeln wird zur
Huldgestalt
und alle sind in Herrlichkeit
gefaßt!
Dies Vorrecht, Teurer, nur mit
Maß benütze:
Mißbrauch mach stumpf des
schärfsten Messers Spitze.
XCVI
Bald heißt’s, dein Fehl sei
Jugend: loses Handeln;
bald heißt’s, dein Wert sei
Jugend: freies Spiel.
Weil du den Fehl vermagst in
Wert zu wandeln,
bei Jung und Alt so Fehl wie
Wert gefiel.
Wie kleinstes Kleinod an der
Fürstin Hand
dank ihrer Schönheit noch als
Schmuck gepriesen,
so bleibt an dir der Mangel
unerkannt
und Falsches scheint als echter
Wert bewiesen.
Wieviel Lämmer würd’ ein Wolf
verzehren,
wollt’ er sich wirklich als ein
Schaf verkleiden;
wieviel Verehrer könnten sich
nicht wehren,
gewährtest du, an dir sich satt
zu weiden!
Tu’s nicht! Getreu der Liebe,
die erschuf
dich uns zum Bund, betreu ich
deinen Ruf.
XCVII
Wie war es Winter mir und alles
alt,
als fern du warst, du Lust
verwichner Zeit!
Der Tag war tot, grau war die
Luft, und kalt
umfing Dezember die
Verlassenheit.
Und doch war Sommer einst – daß
ich’s noch denke,
und Herbt war, dem ein Segen
sich entbot
und der noch schwoll von Lenzes
Lustgeschenke,
wie eine Witwe nach des Gatten
Tod.
Doch dieser Überfluß schien mir
verschwendet
wie Waisenhoffnung; denn nur du
bekamst
das Recht auf Fülle, die Natur
gespendet.
Und Vögel schwiegen, als du
Abschied nahmst.
Ertönt ihr trüber Schall, ein
Schauder faßt
das Laub, das wie vor
Winterfurcht erblaßt.
XCVIII
Als Frühling war, war ich von
dir entfernt;
der Mai trieb’s bunt, er
unterwies die Zeit,
daß muntern Geist der Jugend
sie erlernt,
und selbst Saturn tat mit und
war erfreut.
Doch hat kein Vogellied, nicht
Waldesgrün
noch Blumenduft mich jugendlich
beglückt.
Ich ließ die Blumen blühen und
verblühn;
ich ließ die Sommerfreude
ungepflückt.
Der Lilie Weiß nahm ich nicht
staunend wahr,
das Rot der Rose hab ich nicht
besungen;
dem Anblick bot ein Wonnebild
sich dar,
doch schien’s nach deinem
Vorbild nur gelungen.
Wie Winter war’s; denn du warst
doch nicht da.
Der Mai war mir nur als dein
Schatten nah.
C
Wo bist du, Muse, die so lang’
vergaß
zu gnaden mir mit
geistgeformten Liedern?
leihst deine Glut du leerem
Mittelmaß,
um gar dich zum Geimenen zu
erniedern?
Kehr um, Vergeßliche, und hole
ein
entwichne Zeit, laß wieder sie
ertönen,
dem Geiste deine Freuden zu
verleihn,
der es vermag, den Stoff dir zu
verschönen.
Sieh nach, ob in des Liebsten
Antlitz will
der Fluch der Zeit schon eine
Furche graben;
in diesem Fall versetz ihr ein
Pasquill,
für alle Zeit soll Spott sie
dafür haben.
Verwahr die Schönheit in des
Ruhmes Schrift,
geschwind, bevor sie Sens’ und
Sichel trifft!
CI
Verdroßne
Muse! Wie willst du’s ersetzen,
daß Treue hat so lang’ des
Schmucks entbehrt?
Denn Treu und Schönheit sind an
ihm zu schätschen,
dem treu zu dienen dich, du
Schöne, ehrt.
Gib Antwort, Muse! Sagst am End
du gar:
„Das Wahre braucht nicht
Schmuck, schmückt sich allein,
das Schöne, das den Schmuck
braucht, ist nicht wahr,
Vollkommenheit verzichtet auf
den Schein“?
Du schweigst, weil über
Lobspruch er erhaben?
Sich auszureden, ziemt nicht;
du hast Macht,
daß über goldne Gruft, wo er
begraben,
er fernster Nachwelt werde
dargebracht.
Drum an dein Amt! Ich lehre
dich, in Bildern
die heut’ge Schönheit später
Zeit zu schildern.
CII
Mein Lieben, schwach
erscheinend, ist erstarkt.
Ich liebe, wenn ich’s gleich
nicht offenbare.
Die Liebe, die man anpreist auf
dem Markt,
lockt Kunden an wie eine feile
Ware.
Als Liebe jung war, Lenz in
meiner Seele,
da hab ich täglich ihr ein Lied
geweiht.
Ist Mai im Land, so hört man
Philomele,
und still wird sie in reifrer
Sommerzeit.
Nicht daß der Sommer dunkler
als die Tage,
da ihre Melodie der Nächte
Strahl;
doch welkt der Wald, gebeugt
von wilder Klage,
und die gewohnten Töne sind banal.
Darum, gleich ihr, hab ich mein
Lied gestillt,
das sonst mit Überdruß dein Ohr
erfüllt.
CIII
Ach, wie doch meine Muse Glanz
entbehrt
bei solchen Stoffes königlichem
Prangen!
Wie schuf ihm die Natur doch
höhern Wert,
als jemals meine Kunst ihm könnt’
erlangen!
Versag ich so, du sollst mich
drob nicht schelten.
Sieh dich im Spiegel, und du
hast erfaßt,
wie wenig meine Wortversuche
gelten,
und wie das Bild vor der Natur
verblaßt.
Wär’s nicht Verbrechen: was der
Welt gefiel,
Vollkommenheit, durch Zutat zu
verderben?
Und mein Gedicht hat doch kein
andres Ziel,
als deiner Anmut Weltruhm zu
erwerben.
Weit mehr, als jemals meinen
Vers erfüllt,
enthüllt ein Blick dir auf dein
Spiegelbild.
CIV
Mir, schöner Freund, mir wirst
du niemals alt;
so schön, wie ich dich einst
sah, bist du heute.
Und dreier Winter Wut und
Sturmgewalt
fiel dreimal sommerlicher Glanz
zur Beute.
Drei grüne Lenze sind dem Jahr
im Land
allmählich in den gelben Herbst
entschwunden;
dreimal verglühte Mai im
Junibrand,
seit ich dich, jung wie heute,
hab gefunden.
Und doch, obschon der Zeiger
auf der Uhr
zu stehen scheint, wo Zeit ihn
vorwärts treibt:
so täuscht vielleicht an dir
mein Aug sich nur,
wenn es vermeint, daß Schönheit
dir verbleibt.
Drum höre, Zeit, die noch nicht
angefangen:
bevor du warst, war Schönheit
schon vergangen!
CV
Mögt Götzendienst ihr meine
Lieb nicht nennen,
drin der Geliebte als der Götze
throne,
weil ich nur ewig ihn für wert
erkennen
des Preises will, nur ihm mit
Loblied lohne.
Gut ist er heute, gut in
spätern Tagen
und treu wie keiner auf der
weiten Welt;
drum kann mein Lied nur stets
dasselbe sagen,
das der Beständigkeit die Treue
hält.
„Schön, gut und treu“: nur
darauf sich berief
- auf daß es schön und gut und
treu – mein Dichten;
für aller Varianten Grundmotiv
muß ich drei Klänge mir zum
Dreiklang schlichten.
Man trifft sie oft: schön, gut
und treu,
vereinigt sieht man hier erst
alle drei.
CVI
Wenn ich in längst verrauschter
Zeit Annalen
manch schöner Wesen Bild zu
schaun bekam,
und sah sie stolz im Ruhm des
Lieds erstrahlen,
die holden Damen, Ritter
lobesam,
dann schien mir, wo sich immer
Schönheit zeigte
an Lippe, Auge Mund und Stirn
und Händen,
als ob der Sinn der Sänger dazu
neigte,
das Bild zu deiner Schönheit zu
vollenden.
So war des Liedes Wert:
vorauszusagen,
und all ihr Trachten: dich
vorwegzunehmen;
die ahnend nur im Sinne dich
getragen,
sie mußten sich ins eigne Maß
bequemen.
Die wir dich sehn, uns ist das
Aug bezwungen;
zu feiern deine Schönheit,
fehlen Zungen.
CVII
Nicht Furcht und kein prophetisches Gemüt
der weisen Welt hat mir vorausgesagt,
daß einstens mich die Gunst der Liebe flieht
und der Verfallstag meinem Glücke tagt.
Nach Finsternis erstrahlte neu der Mond
und Magier lachen ihrer Weisheit Hohn;
fest wohnt, was sonst zu wanken nur gewohnt,
und ew’ge Palme ragt als Friedenslohn.
Gelabt vom Balsam benedeiter Tage,
erglänzt mein Herz – wo ist dein Stachel, Tod,
der mir im Lied die Dauer nicht versage,
wenn er die sprachlos dumpfe Brut bedroht.
In solchem Denkmal lebt noch dein Gesicht,
wenn Königskron’ und Gruft von Erz zerbricht.
CVIII
Was blieb dem Hirn in Lettern
zu ersinnen,
womit dich Treue nicht schon
hätt’ erfreut?
Was wär’ an neuem Preise zu
gewinnen
für meine Liebe, deine
Kostbarkeit?
Nichts, süßer Knabe! Doch wie
im Gebete,
wo ich das Alte täglich neu
bekenne:
„Du mein, ich dein“, ist es der
gleiche, stete
Gedanke, seit ich deinen Namen
nenne.
Der jung erhaltnen Liebe freies
Walten
fragt nicht besorgt nach Alters
Last und Leid;
sie läßt sich nicht gefallen
seine Falten,
macht zum Vasallen die
Vergänglichkeit.
Sie fühlt sich wie am ersten
Tage neu,
brach sichtbar jene ihr auch
schon die Treu.
CIX
Laß ab doch, mich der
Falschheit anzuklagen,
weil, fern von dir, die Glut
verglommen schien;
ich könnte leichter mir doch
ganz entsagen
als meinem Herzen, das dir ganz
verliehn.
Ich wohn in dir; und bin ich
ausgegangen,
kehr ich als Wandrer heim mit
schnellem Fuße
beizeiten, ohne Wandel zu
verlangen,
und für mein Fehlen bring ich mir
die Buße.
O glaube nicht, und wär’ ich
auch besät
mit Fehlern, wie sie aller
Menschheit Habe:
daß sich mein Wesen ruchlos so
verrät,
für nichts zu opfern höchste
Himmelsgabe.
Du, aller Gärten dieses
Erdenballes
ruhmreichste Rose du, du bist
mein Alles!
CX
Ach, wohl ist’s wahr, ich trieb
mich hin und her
und machte mich zum
Schalksnarrn für die Welt,
warf Höchstes fort für
niedriges Begehr
und fand in allem Leid nur den
Entgelt.
’s ist wahr, ich sah auf Treue
scheel und kalt;
doch kann ich es beim ew’gen
Himmel schwören:
dies Wanken gab der Seele neuen
Halt;
verjüngt wollt’ ich nur dir
noch zugehören.
Vorbei das Spiel! Nur eines ist
geblieben,
und niemals mehr will ich davon
mich wenden;
dem Liebesgott zum Leid soll
wahres Lieben
nicht erst durch falsche Lust
sich mir vollenden.
So nimm, du nächst dem Himmel
höchstes Glück,
mich an dein liebevolles Herz
zurück!
CXI
O wende an Fortuna deinen
Groll,
die es gewollt hat, daß ich
Schmach erlitten,
und die es fügte, daß ich leben
soll
im Pöbeldienste und nach
Pöbelsitten.
Mein Stand ins meinem Namen
eingebrannt,
der Makel in mein Wesen
eingeätzt
durch mein Geschäft, wie in des
Färbers Hand;
beklage mich und wünsche mich
ersetzt,
daß ich wie ein geduld’ger
Kranker schlürfte
den Trank von Essig gegen
gift’gen Schwären
und über Bitterstes nicht
klagen dürfte,
durch Gift für Gift die Buße
mir zu mehren.
Hab Mitleid bei dem Weh durch
solche Wunden;
von deinem Mitleid schon will
ich gesunden.
CXII
Dein liebend Mitleid ist Arznei
und Trost
für Schimpf und Unglimpf, und
erstarkten Mutes
veracht ich, ob man gut
spricht, ob erbost,
wenn du verzeihst mein Böses,
löbst mein Gutes.
Die Welt bist du allein, und
mein Ertrag
ist, was an Lob und Tadel du
magst spenden;
kein andrer lebt, ich keinem,
der’s vermag,
den eh’rnen Sinn nach seinem
mir zu wenden.
Tief in den Abgrund schleudr’
ich den Respekt
für ander Wort, so daß mein
taubes Ohr
nicht wird durch Tadel, nicht
durch Lob erweckt,
durch Schall, der darum seine
Kraft verlor:
du hast so ganz von mir Besitz
erworben,
daß außer dir die Welt mir
abgestorben.
CXIII
Im Geist wohnt nun mein Aug,
das deine Nähe
entbehrt; wo’s führen soll,
erfüllt’s die Pflicht
nur halb, ist blind fast, tut
als ob es sähe,
in Wirklichkeit entschwand ihm
sein Gesicht.
Dem Herzen vorenthaltend die
Gestalt
von Vogel, Blume, allem was da
lebt,
gewährt’s dem Geiste keinen
Aufenthalt,
dem alle dargebotne Schau
verschwebt.
Denn was nur im natürlichen
Bezirk
zu sehen ist, das Holde und das
Wilde,
er formt die Nacht, den Tag,
das Meer, Gebirg,
die Taube und die Kräh’ nach
deinem Bilde.
Mein Auge ging dir allerwegen
nach;
so kam’s, daß treuster Sinn die
Treue brach.
CXIV
Ist’s so, daß den mit dir
gekrönten Geist
das Fürstengift der
Schmeichelei betört?
Ist’s anders? So, daß sich als
treu erweist
mein Aug, dem solchen Zauber
Liebe lehrt,
daß es aus Mißgeburt und
Schreckgesicht
macht Cherubim von deiner
holden Art,
der schlechtste Stoff erblüht
ihm zum Gedicht,
sobald sein Strahlenblick ihn
nur gewahrt?
Nicht so ist’s! Schmeichelei
erfüllt dies Auge,
nach Fürstenweis’ schlürft sie
mein hoher Mut:
das Auge kennt den Trank, der
dazu tauge,
und seinen Trinker kennt es
ganz so gut.
Entschuldigt sei, wenn Gift in
solchen Tränken:
das Auge liebt, zuerst sich
einzuschenken.
CXV
Die Verse, die ich früher
schrieb, sind Lüge;
selbst dies: ich könnte stärker
dich nicht lieben.
Damals erkannt’ ich nicht, wie
höher fliege
dereinst die Glut, die schon so
hoch getrieben.
Doch wenn ich seh
vieltausendfach die Zeit
in Eide schleichen, Königsworte
biegen,
die Schönheit bleichen, lähmen
Männerstreit
und großen Geist dem kleinen
Plane schmiegen:
durft’ ich nicht, von
Vergänglichkeit gebannt,
vollendet wähnen meiner Liebe
Reifen
und im Bestande vor dem
Unbestand
das Glück des Augenblickes mir
ergreifen?
Ein Kind ist Liebe; darin irrt’
ich bloß:
ich hielt für reif sie, und sie
wird erst groß.
CXVI
Nichts löst die Bande, die die
Liebe bindet.
Sie wäre keine, könnte hin sie
schwinden,
weil, was sie liebt, ihr einmal
doch entschwindet;
und wäre sie nicht Grund, sich
selbst zu gründen.
Sie steht und leuchtet wie der
hohe Turm,
der Schiffe lenkt und leitet
durch die Wetter,
der Schirmende, und ungebeugt
vom Sturm,
der immer wartend unbedankte
Retter.
Lieb’ ist nicht Spott der Zeit,
sei auch der Lippe,
die küssen konnte, Lieblichkeit
dahin;
nicht endet sie durch jene
Todeshippe.
Sie wahrt und wartet auf den
Anbeginn.
Ist Wahrheit nicht, was hier
durch mich wird kund,
dann schrieb ich nie, schwur
Liebe nie ein Mund.
CXVII
So wirf mir vor, daß ich weit
mehr genossen
an Gunst, als was ich dir
zurückgegeben;
daß ich dem Herzen mich nicht
angeschlossen,
dem alle Pflicht das meine muß
verweben;
daß ich mit niedern Geistern
oft verkehrte,
mit schnödem Sinn dich um dein
Recht betrog,
die Segel hissend, wie der Wind
begehrte,
der fernhin mich von deinem
Hafen zog.
Schreib Fehler auf und
Eigensinn und Grillen,
häuf Argwohn, den Beweis
erhärten soll;
du magst an mir dir deinen
Unmut stillen –
doch triff mich tödlich nicht
mit deinem Groll!
Ich hatte dein doch wahrlich
nur vergessen,
um deine ganze Treue zu
ermessen.
CXVIII
Wie man, um sich den Appetit zu
mehren,
den Gaumen gern mit scharfer
Würze peinigt;
wie man, um schwere Krankheit
abzuwehren,
sich Blut und Saft durch eine
Krankheit reinigt:
so nahm ich, deiner Süße voll,
die Speise
versetzt mit allerbittersten
Gewürzen;
geschwächt von Wohlsein, hielt
ich es für weise,
die Zeit bis zur Erkrankung
abzukürzen.
So machte kluge Liebe die Erfahrung,
vermeintes Leid in Wirklichkeit
zu wandeln
und zu erhoffter beßrer
Selbstbewahrung
sich für Gesundheit Siechtum zu
erhandeln.
Erkenntnis bleibt ihr, die ins
Schwarze trifft:
dem, der an dir krankt, wird
Arznei zum Gift.
CXIX
Wie trank ich Eimer voll
Sirenentränen,
in Kolben aus der Hölle mir
gebraut!
Wie schmerzlich trog die
Wahrheit mir mein Wähnen
und brach den Bau, den Hoffnung
mir erbaut!
Wie dumpf und wirr verirrte
sich mein Herz,
vermutend, daß ihm nun das
Glück gedieh!
Wie toll und wild verzückte
himmelwärts
den Blick die fieberhafte
Phantasie!
O Heil des Unheils! Nun
erkannt’ ich klar,
daß Gutes besser wird durch
böses Leid,
und daß die Glut, die schon
erloschen war,
erglüht zu nie geahnter
Seligkeit.
So seh ich, der zur Liebe
heimgekehrt,
die Schuld mir dreifach als
Gewinn gewährt.
CXX
Heut dank ich dir, was ich von
dir erduldet,
doch einstmals war so voll von
Leid mein Herz,
daß mich zerbrochen hätt’, was
ich verschuldet,
hätt’ ich nicht Nerven wie von Stahl
und Erz.
Konnt’ meine Ungunst so dein
Herz verletzen
wie deine meins, so littst du
Höllenqual;
und ich Tyrann bedacht’ nicht,
abzuschätzen
das Leid, das deine Tyrannei
befahl.
Oh, hätte mir nicht jene
Schmerzensnacht
Bewußtsein unsrer Schmerzen doch
gemindert,
wir hätten uns den Balsam
zugebracht,
der Herzen stärkt und ihre
Leiden lindert!
Durch Schuld wird nun das
Lösegeld verdient,
da deine mich und meine dich
entsühnt.
CXXI
Viel besser: schlecht sein, als
für schlecht zu gelten,
wenn, der’s nicht ist, doch
dafür wird gehalten,
und edlen Liebesdrang, den
wirnicht schelten,
die Welt verneint in ihrem
kalten Walten.
Warum denn sollte voller
Hochmut sprechen
die Heuchelei von meinem freien
Blut,
die Schwäche, die sich rächt an
meinen Schwächen,
für schlecht befinden, was ich
hielt für gut?
Nein, der ich bin, der bin ich;
wer mir rief
Verfehlung nach, nur von sich
selber spricht;
sie sind nicht grade, und ich
bin nicht schief,
ihr Schuldspruch gelte nicht
als mein Gericht!
Sie sprechen Unrecht; wenn man
nicht mit Recht
die Menschheit insgesamt
erkennt für schlecht.
CXXII
Das Tagebuch, von dir mir einst geschenkt,
lebt dort mir, wo ich es beständig trage:
im Geist, der länger als Papier gedenkt
und alle Tage wahrt für alle Tage.
So lange wenigstens, als Herz und Hirn
naturgemäß zum Leben sich verbinden,
so lang’, bis ihr Vergessen dein Gestirn
verlöscht, soll mir dein Bildnis nicht entschwinden!
So viel vermag ein Merkbuch nicht zu fassen,
und daß ich dich mir merke, brauch ich’s nicht;
drum gab ich’s weg, um ganz zu überlassen
dem innern Buch den besseren Bericht.
Gedenken, dir von außen zugemessen:
der Vorwurf wär’s, ich hätte dich vergessen.
CXXIII
Nein, prahl nicht, Zeit, du
könntst mich anders fügen!
Bau Pyramiden neu – so stehn
sie nicht
vor mir mit neuen und besondern
Zügen,
ziert alte Größe neu auch das
Gesicht.
Kurz ist das Leben; staunend
drum bemerken
wir Altes, das du anders nur
behängst:
es scheint zum erstenmal
geformten Werken
zu gleichen, und wir kannten es
schon längst.
Dir biet ich Trotz und deinen
Protokollen,
die mich mit ihrem Jetzt und
Einst nicht blenden
und durch ein Lügenwerk nicht
täuschen sollen
im Neubeginnen und im
Nievollenden.
Dies schwör ich: und wenn
nichts durch dich verblieb’,
ich bleibe treu trotz deinem
Sensenhieb!
CXXIV
Wär’ meine Liebe nur ein Kind
von Rang,
Fortunas Bastard wär’ sie,
vaterlos,
des Zufalls und der Zeitenlaune
Fang,
Spreu unter Spreu, Blum’ unter
Blumen bloß.
Doch nicht durch Glückswurf in
die Welt gebracht,
vom Prunke nicht bedrückt, auch
nicht ergeben
ist sie der mißvergnügten
Sklavenmacht,
der nun die Zeit geneigt ist
zuzustreben.
Sie fürchtet nicht die Hexe
Politik,
die ihren Zauber auf Minuten
borgt,
und bleibt mit beßrer Klugheit
stolz zurück,
und steht in Glut und Kälte
unbesorgt.
Die Narrn der Zeit sei’n
Zeugen, die im Leben
der Lust, im Tod der Tugend
sich ergeben!
CXXV
Dient denn mein Lied nur als
ein Baldachin,
soll bloß mit äußerm Glanz es
dich verklären?
Erricht ich einen Bau, der ewig
schien
und länger nicht als Schutt und
Staub soll währen?
Sah ich nicht Schönheitssucher
untergehn,
die sich verirrt in Schein und
leere Hülle,
die bei dem Feste nicht das
Mahl gesehn,
für schlechte Zier verlierend
echte Fülle?
Nein, deinem Herzen dien ich
mit dem meinen,
nimm meine Gabe: sie ist arm,
doch frei;
durch Zutat möchte nicht als
falsch erscheinen,
was Gabe nur und Gegengabe sei.
Verleumdung, fort! Magst du
noch frecher schalten,
ein Herzensband wird umso
fester halten!
CXXVII
In alten Zeiten galt nicht schwarz für schön,
und schön es gar zu nennen, blieb verwehrt;
nun wird die Schönheit, die es ausersehn
zum Erben, mit dem Bastardschimpf entehrt.
Denn seit durch Kunst erscheint Natur entstellt
und Abscheu lockt in gleißendem Gewande,
hat Schönheit Ruhm und Raum nicht in der Welt;
sie ist entweiht, lebt in Verruf und Schande.
Drum rabenschwarz sind meiner Herrin Augen,
die unterm Trauerflor der Wimpern weinen,
weil, die zur Schönheit von Geburt nicht taugen,
Natur entehren durch ihr falsches Scheinen.
Vor solchem Bild der Trauer jeder spricht:
Dies ist der wahren Schönheit Angesicht!
CXXVIII
Wie oft, wenn deine lieben
Finger leihen
dem toten Holze der Befühlung
Glück
und lassen ihm die Wohltat
angedeihen,
die meinem Ohr zutheil wird als
Musik,
bin ich ein Bettler bloß vor
solchen Tasten,
die spielend küssen deine holde
Hand,
dieweil mein stummer Mund,
verdammt zum Fasten,
nicht Töne hat wie jener
Musikant.
Wie neidet er das Ding, das so
genießt
und tief sich bückt, dem süßen
Druck ergeben,
und wie’s beglückt von Wohllaut
überfließt,
weil deine Gnaden totes Holz
beleben.
Sei weiter gnädig, doch gerecht
auch, und:
gib ihn zum Kuß die Finger, mir
den Mund!
CXXIX
Wird Geist gewendet an den Plan
der Lust,
sind Lust und Geist im Werk der
Schmach verschwendet.
Kein Meineid, kein Verrat ist
unbewußt,
nicht Mord dem Sinn, den jene
Lockung blendet.
Doch sie verkürzt ihn. Denn in
tollem Wagen
wird Lust Verlust und nichts
verbleibt den Sinnen
als noch der Wunsch, sich
fortan zu versagen
und niemals mehr von neuem zu
gewinnen.
Wie Wahnwitz giert und allzu
bald ersattet,
bevor das Unmaß der Erfüllung
voll –
unselig, den die Seligkeit
ermattet,
und den das Glück gleich einem
Gift macht toll.
Wer wüßt’ es nicht, und würde
nicht durch Gluten
des Himmels doch sich in die
Hölle sputen!
CXXX
Ihr Auge glänzt nicht wie das
Sonnenlicht,
nicht leuchten ihre Lippen wie
Korallen.
Ist weiß der Schnee, ihr Busen
ist es nicht,
und schwarzer Draht statt Haar gefällt
nicht allen.
Ein Rosenbeet in roter, weißer
Pracht
sah oft ich; aber nicht auf
ihren Wangen.
Und oft war süßrer Duft mir
zugebracht,
als ich von ihrem Atem hab
empfangen.
Gern hör ich sie; doch kann ich
nicht bestreiten,
daß meinem Ohr Musik doch
holder tönt.
Noch niemals sah ich eine
Göttin schreiten;
sie aber ist an Erdenschritt
gewöhnt.
Und doch stellt sie mir jede in
den Schatten,
für die die Schwärmer
Schmeichelworte hatten.
CXXXI
Du bist so stolz wie alle
stolzen Schönen:
sie wecken Glut und strafen sie
mit Pein;
denn ach, du weißt gsichert all
mein Sehnen
dir als dem strahlend schönsten
Edelstein.
Doch mancher merkt im Anschaun
deiner Züge
von solchem Liebeszauber keine
Spur;
ich wollte nicht behaupten, daß
er lüge,
doch daß es falsch sei, oft
mein Herz mir schwur.
Und tausend Seufzer rufe ich zu
Zeugen,
daß wahr dagegen, was ich so
bekannt;
sie sahen deines Blickes Macht
mich beugen,
sie wissen, wie dein Schwarz
mich hat gebannt.
Doch dunkel ist dein Tun nur,
nicht dein Schein,
und jenes trägt dir alles
Lästern ein.
CXXXII
Ich liebe deine Augen, die voll
Leid
die Wunden sehn, die mir dein
Sinn geschlagen:
ihr Mitleid ist gehüllt in
schwarzes Kleid,
und tiefe Trauer scheinen sie
zu tragen.
Und wahrlich, nicht der
Morgensonne Strahl
malt herrlicher des Ostens
graue Wangen,
vom schönsten Abendstern könnt’
nicht einmal
den halben Glanz der fahle west
erlangen,
als dein Gesicht von deinen
Traueraugen.
Und wenn dich doch so schön die
Trauer kleidet,
so möge sie auch deinem Herzen
taugen,
daß alles, was du hast, dann
mit mir leidet.
Dann schwöre ich, daß jede
Farbe stumpf –
und Schwarz allein sei aller
Schönheit Trumpf!
CXXXIII
Verflucht das Herz, das meinem
schuf die Pein
und meine und des Freundes
Herzenswunden!
Soll’s nicht genug an einem
Opfer sein?
Wird auf die Folter nun auch er
gebunden?
Dein grausam Aug, das mich
entseelte, fand,
mein zweites Ich sei besser
noch zu quälen;
mir sind nun ich und er und du
entwandt:
o Qual im Dreibund, dreimal
drum zu zählen!
Sperr ein mein Herz in deine
Brust von Erz,
daß es als Pfand ihn deiner
Bande löse;
wer mich auch hält – sein Hüter
bleibt mein Herz,
und die Alleinhaft trifft mich
nicht so böse.
Und doch, sie tut’s; da ich in
dir mit allen
Gedanken – bin und bleib ich
dir verfallen.
CXXXIV
Ja, er ist dein, ich hab es
zugestanden,
und ich bin dir als Pfand
zurückgeblieben;
ich sei dahin – doch was mir
kam abhanden:
mein andres Ich, sei mir zum
Trost verschrieben.
Du aber willst dicht; frei sein
er nicht mag:
du bist begehrlich, er kann
nicht versagen;
er unterschrieb für mich nur
den Vertrag,
der ihn nun zwingt, die Fessel
zu ertragen.
Auf deiner Schönheit Schein
bestehst du fest,
du Wuchrer mit der Habe, die
dich ziert;
der Freund, den du als
Schuldner zahlen läßt,
er wird mir nun durch meine
Schuld entführt.
Ich hab ihn nicht mehr, du uns
alle zwei;
er zahlt für, und doch bin ich
nicht frei.
CXXXV
Die, was sie will, auch hat im
Überfluß,
dir ist’s erfüllt, kein Will’
bleibt ungestillt:
bis auf den einen: der sich
melden muß,
weil ganz so, wie er heißt, er
ist gewillt.
Will denn dein Will’, im Walten
ungehemmt,
nicht auch den meinen einmal
einbeziehn?
Läßt denn der Will’ von andern,
die dir fremd,
dich mir, weil ich nichts andres
will, entfliehn?
Du willst so viel, du gleichst
darin dem Meer,
das alle Wasser faßt: so gleich
ihm ganz;
die Willensfülle würde mein
Begehr
noch mehren, noch ein Will’
will Toleranz.
Laß alle wollen, doch gewähr
die Bill:
Wo eins der Will’, will auch
der eine Will.
CXXXVI
Wenn’s dich verdrießt, daß ich
zu nah dir trat,
so mach mit einem Trost den
Vorwurf still:
dein eigner Will’ verteidigt
deine Tat,
was aber wär’ ich andres als
dein Will?
Und will nicht andres, als den
Herzensschatz
vermehren dir, so gut ich eben
kann.
Dort, wo so viele finden ihren
Platz,
kommt’s wahrlich auf den einen
nicht mehr an.
Nicht zählen mußt du mich; ich
sei dir nichts,
ich bin nicht da; und falle
dennoch auf.
Entbehrt mein Wert auch
scheinbar des Gewichts,
um eines Umstands nimmst du
mich in Kauf.
Dein Will’ sei alles dir, ich
dulde still;
du liebst mich, merkst du
einst: ich bin dein Will.
CXXXVII
O Liebe, blinder Narr, was mußt
du blenden
mein Auge, daß es schaun kann
und nicht sehn?
daß, schönheitskundig, sich’s
nur hinzuwenden
vermag zur Schmach, die ihm
erscheint als schön!
Wenn der bestochne Blick
erstrebt den Hafen,
wo alles anlegt, keiner zählt
und jeder,
was mußtest du des Herzens
Irrtum strafen
und machtest ihm aus Sinnentrug
den Köder?
Soll denn mein Herz das halten
für den Hort,
was es erkannte als
Gemeingebiet?
Soll sehend leugnen es mein Aug
und dort
das wahre sehn, wo Falsches
sich verriet?
Der Wahrheit gaben Herz und Aug
den Rest,
und darum faßte sie der
Falschheit Pest.
CXXXVIII
Schwört mir die Liebste, daß
sie treu: erkannt
hab ich die Lüge, will ihr aber
glauben;
damit sie glaubt, ich wäre noch
ein Fant,
dem schlechte Welt die Unschuld
nicht konnt’ rauben.
So glaubend, daß sie noch für
jung mich hält,
obwohl sie weiß, daß ich bereits
in Jahren,
hab ich mich vor der Lügnerin
verstellt,
daß beiderseits die wahrheit
wir bewahren.
Doch warum sagt sie mir nicht,
daß sie lüge?
Warum bekenn ich ihr nicht mein
Gebrechen?
Ach, Liebe liebt dergleichen
Winkelzüge
und liebt es nicht, vom Ältersein
zu sprechen.
Ich laß von ihr, sie sich von
mir betrügen,
umlügend unsre Fehler zum
Vergnügen.
CXXXIX
Heiss’ mich verzeihend nicht
nach Gründen suchen,
warum dein hartes Herz mich so
bedrücke.
Laß deinen Mund, nicht deinen
Blick mir fluchen;
miß Macht mit Macht, doch töte
nicht durch Tücke!
Liebst andre du, so sag’s – bin
ich zugegen,
mein süßes Herz, wirf keine
Seitenblicke.
Bedarf es denn der List, wo
überlegen
die offne Macht zerbricht mein
Herz in Stücke?
Ich bring Entschuldigung: dir ist
bekannt,
wie mich dein süßer Blick als
Feind berücke;
und warum hast du ihn von mir
gewandt,
damit er andern seine Pfeile
schicke.
Doch tu es nicht! Blick noch
auf mich zurück,
halb Toten: töte mich mit einem
Blick!
CXL
Nicht minder als du grausam,
sei doch klug,
damit dein Hohn nicht meinen
Schmerz entwöhne
von Stummheit, und er täte sich
genug
und die Verzweiflung fände ihre
Töne.
Ich lehr dich Klugheit: liebst
du mich auch nicht –
daß du mich liebst, sei mir von
dir erfunden:
ganz wie der Arzt in sichern
Todes Sicht
von nichts dem Siechen spricht
als vom Gesunden.
Läßt du verzweifeln mich, so
werd ich toll
und könnt’ in Tollwut deinen
Ruf beflecken;
die Welt ist schlecht und so
von Mißgunst voll,
daß toller Schimpf kann tollen
Beifall wecken.
Damit uns beiden dies erspart
sei; so
blick zu mir, ist dein Herz
auch anderswo.
CXLI
Fürwahr, ich liebe dich nicht
mit dem Auge:
ich laß es deine tausend Fehler
finden;
das Herz erwägt nicht, was ein
Wert ihm tauge:
es liebt dich trotz des Auges
Gegengründen.
An deiner Stimme Klang hängt
nicht mein Ohr,
und ich verlange nicht, dich zu
betasten;
Geschmack, Geruch nicht, nein,
kein Sinn erkor
zu einem Fest dich, wenn die
Sinne fasten.
Doch fünffach Denkern nicht,
nicht die fünf Sinne
befrein mein Herz aus seiner
Narrheit Bann,
da ich ein Sklave bin von
deiner Minne
und nur ein Schatten noch von
einem Mann.
Ein Trost verbleibt, die
Schmach mir zu versüßen:
Die mich zur Sünde zwingt, läßt
sie mich büßen.
CXLII
Mein Fehl ist Liebe und dein
Vorzug Haß,
Haß meines Fehls, der sünd’gen
Lieb entstammt.
Miß unsre Gaben doch und gib
Erlaß,
denn nichts siehst du, was du
mit Recht verdammt.
Wär’ etwas da, nicht deine
Lippe hätte
das Recht, die ihren
Scharlachschmuck geschändet
und oft, gleich mir, in fremdem
Ehebette
verbotnen Kuß mit falschem
Schwur gespendet.
Dich lieb mit gleichem Fug ich,
wie du alle,
die dein Blick, wie der meine
dich, bedrängt.
Pflanz Mitleid in dein Herz,
daß wohlgefalle
sein Wachstum, bis es Mitleid
selbst empfängt.
Sprichst eint du an, was du mit
eignem Schalten
versagt hast, bleibt’s dir
selber vorenthalten.
CXLIII
Sieh, wie sich eine gute Hausfrau hetzt
nach einem Huhn, das ihrem Hof entlaufen,
in Hast ihr kleines Kind zu Boden setzt,
dem Flüchtling nachsetzt, ohne zu verschnaufen,
und das verlaßne Kind, es läuft ihr nach
und heult und hängt an ihr, die nur will fangen,
nichts fühlt als des Verlustes Ungemach
und nicht bedenkt des armen Kindes Bangen:
so folgst du dem, der deiner Hut entflohn,
für mich, der dich verfolgt, der Sorge ledig.
O komm, hast jenen du, zu deinem Sohn;
sei Mutter und mit einem Kuß mir gnägig!
Kehr doch zurück, mach lauten Schmerz mir still;
dann bete ich: es werde dir dein Will!
CXLIV
Zwei Lieben lenken mich zu
Glück und Leid,
vollführen geisterhaften
Zeitvertreib:
ein Jüngling steht im Licht;
zum Widerstreit
mit ihm als böser Geist ein
dunkles Weib.
Um sichrer in die Hölle mich zu
bringen,
lockt sie den lichten Geist mir
von der Stelle,
versuchend, ihn satanisch zu durchdringen,
und leitet so den Heiligen zur
Hölle.
Ob ganz mein Engel schon mir
kam abhanden,
kann ich nicht wissen, doch ich
mag’s vermuten;
da beide, mir entfernt,
einander fanden,
so scheint’s, er brenne schon
in Höllengluten.
Gewißheit aber wird, wenn ohne
Zweifel
mein Teufel meinen Engel jagt
zum Teufel.
CXLV
Den Lippen, die der Liebe Hand
geformt, enthaucht’ ein Klang:
„Ich hasse“
zu mir, des Herz von ihr
verbrannt.
Doch als sie sah das
leichenblasse
Gesicht vor ihr, faßt sie
Ebarmen:
gleich lehrt’ die Zunge sie mit
Zanken,
daß sie, die liebreich sonst,
dem Armen
entbiete bessere Gedanken.
Dann fand „Ich hasse“ eine
Schluß,
wie durch des Himmels holde
Macht
dem jungen Tage weichen muß
und in die Hölle sinkt die
Nacht.
„Ich hasse“, und der Haß
entwich;
mich rettend, sprach sie aus: „
– nicht dich!“
CXLVI
Du arme Seele, Inhalt sünd’ger
Hülle,
gelenkt von wilder Sinne
Rebellion,
wie ist’s bei innerm Hunger
doch dein Wille,
nach Prunk zu streben, Schein
und Außenlohn?
Wozu der Aufwand bei so kurzer
Miete,
der reiche Zierrat für ein
morsches Haus?
Willst du, daß dieses
schmuckern Anblick biete
dem Wurm, der einzieht, ziehst
dereinst du aus?
Nein, Seele, leb von deines
Knechtes Schaden,
das Leid des Leibs gedeih’ zu
deinem Heil;
kauf Himmelszeit für Stunden,
die beladen,
sei reich im Innern, arm am
äußern Teil.
Zehr du vom Tod, wie er vom
Lebensbrot;
wenn Tod verzehrt ist, gibt es
keinen Tod.
CXLVII
Die Liebe brennt in mir wie
sehrend Fieber,
begehrend, was die Hitze mir
vermehrt,
und gierig nach dem Übel zehrt
sie lieber
von jeder Nahrung, die das Übel
nährt.
Verstand, der Liebe Arzt, hat
mich verlassen,
erzürnt, weil ich nicht folgte
dem Gebot,
und die Verzweiflung läßt mich
klarer fassen:
Gier, die den Rat verschmäht,
gewinnt den Tod.
Verloren, der verloren den
Verstand
und dem der Sinn von irrer
Unrast toll;
dem all sein Plan vom Wahne
überrannt
und leer das Wort und nur der
Lüge voll.
Auf deine lichte Herrlichkeit
ich schwor;
schwarz bist du, schwarz wie
Nacht und Höllentor!
CXLVIII
Weh! was für Augen gab mir doch
mein Lieben,
daß ihr Gesicht nicht zu der
Wahrheit stimmt?
Und stimmt es: wo ist mein
Verstand geblieben,
daß er, was sie erkannt, für
andres nimmt?
Wenn schön ist, was der Liebe
Augen priesen,
warum sagt dann die Welt, es
sei nicht wahr?
Wenn aber nicht schön, dann
erscheint bewiesen:
das Liebesaug blickt nicht wie
andre klar.
Wie sollt’ es auch? Wie wäre es
nicht trüb,
wenn Weh es trägt vom Wachen
und vom Weinen?
Kein Wunder, wenn’s mit Irrtum
nimmt vorlieb:
ist trüb der Tag, kann Sonne
selbst nicht scheinen.
Durch Tränen, list’ge Liebe,
willst du blenden,
von deinem Fehl Erkenntnis
abzuwenden.
CIL
Du sagst mir, Grausame, ich
lieb dich nicht,
der, untreu sich, nur schwört
zu deiner Fahne!
Und opfre ich mich nicht im
Selbstverzicht
nur deiner Tyrannei und meinem
Wahne?
Wer ist dein Feind, dem ich ein
Freund sein könnte?
Wem, den du meidest, hätt’ ich
Gunst bezeigt?
Und zürnst du mir, tät ich’s
nicht selbst und trennte
mich von mir, dem ich gänzlich
abgeneigt?
Welch ein Verdienst kann mich
so hoch erheben
an Wert, daß nicht dein Dienst
mich höher stellt?
Dient denn mein Wert nicht
deinem Unwert eben
und folgt dir, wie es deinem
Blick gefällt?
Doch haß mich nur; ich seh ja,
zugewendet
bist du nur Sehenden – ich bin
geblendet.
CL
Sag, welche Macht gab dir die
Allgewalt,
daß deine Schwäche meine Kraft
zerbricht?
daß ich ein Trugbild schwöre
zur Gestalt
und mir die Nacht erscheint als
Tageslicht?
Sag, was bewirkt den Zauber des
Gesichts,
den Schein, der so dem
Schlechten ward verliehn,
daß nichts verbleibt, als dein
verwünschtes Nichts
der Tugendfülle andrer
vorzuziehn?
Wie kommt’s, daß stets mit
heißern Liebesflammen
gerechter Grund zum Haß mein
Herz entflammt?
wenn alle mich und dich darob
verdammen,
von dir allein drum sei ich
nicht verdammt!
Daß ich nach deinem Unwert so
begehrt,
das wahrlich macht mich deiner
Liebe wert.
CLI
Zu jung ist Liebe, weiß noch
nichts von Sünde,
und doch entstammt die Sünde
ihrer Huld.
Drum, holde Schelmin, tadle
mich gelinde,
sonst weisen meine Fehler deine
Schuld.
Denn ich verleite, wie du mich
verleitet,
mein beßres Selbst zu schnödem
Sinnenspiel;
die Seele spornt das Fleisch,
das es erstreitet
den Sieg der Lust, nichts hält
es ab vom Ziel,
es reckt sich auf, hört’s
deinen Namen sagen,
es zielt auf dich, es fordert
Siegerrecht;
dein Herr und Knecht, will’s
wagen und ertragen:
es steht als Herr und fällt als
treuer Knecht.
Drum nenn’s nicht Sünde, daß
mein Sang erschalle
für die, für deren Gunst ich
steh und falle!
CLII
Falsch schwor dir meine Liebe,
in der Tat;
doch doppelt falschen Eid
schwor mir dein Lieben!
Dem Treubruch folgte neuen
Bunds Verrat,
und Liebe ist von neuem Haß
vertrieben.
Doch was verarg ich dir zwei
falsche Eide,
da ich doch selber zwanzig
solche schwor?
Und jeder war ja falscher noch
als beide,
da längst den Glauben ichan
dich verlor!
Denn heil’gen Eid schwor ich zu
deiner Höhe,
ich schwor dich rein und
himmelwärts entrückt;
damit du strahlst, ward mir,
daß ich nicht sehe,
ab schwor mein Aug das Licht,
das Strahlen schickt.
Ich schwor, daß schön und
lieblich dein Gesicht.
Gottlosern Schwur als diesen
gab es nicht!
CLIII
Cupido schlief und ihm zur Seite lag
der Liebesbrand und brannte heiß und hell.
Dianens Nymphe schlüpfte aus dem Hag
und tauchte schnell die Fackel in den Quell.
Das Wasser nahm vom heil’gen Liebesfeuer
die Wärme an und ward zum heißen Bade,
auf daß es, wohlig und durch Heilkraft teuer,
seltsames Siechtum zur Genesung lade.
Jedoch Cupido nahm sich neue Glut
vom Aug der Liebsten und verbrannt’ mein Herz;
erkrankt, verlor ich dennoch nicht den Mut
und eilte, Heilung hoffend quellenwärts.
Umsonst! In einem Bad nur sie sich findet:
wo jener sich die Fackel angezündet.
CLIV
Im Schlafe lag der kleine Herr der Herzen,
undbei ihm lag der Brand, der sie erfaßt.
Ein Schwarm von keuschen Nymphen, unter Scherzen,
trat auf den Plan zum Tanz; mit kecker Hast
ergriff der schönsten Nymphe Hand und stahl
die Fackel, die so vieler Herzen Brand.
So ward der Meister aller Lust und Qual
im Schlaf entmannt von einer Jungfernhand.
In einem kühlen Quell löscht’ sie das Glühn,
und ew’ger Wärme ward dem Quell zuteil,
der vielen Kranken schon zum Heil gediehn.
Doch ich, der Herrin Knecht, ward dort nicht heil.
Wo Liebe wasser wärmt, durft’ ich nur fühlen:
kein Wasser kann das Liebesfeuer kühlen.